Kapitel 185

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PoV Anica

,,Du hast dich also entschieden deinen eigenen Weg zu gehen?", sofort blieb ich erstarrt auf der Treppe stehen und fühlte Joelyns Worte wie ein Messer in mein Herz schneiden. Dann hob ich den Kopf und sah die Treppe hinauf. Vor mir lehnte sich Joelyn an das Geländer und musterte  mich ausdruckslos. Nicht einmal ihre Augen verrieten ihre Gedanken und ich zögerte. Unser Gespräch vor dem Abendessen fiel mir wieder ein und ich hatte irgendwie ein schlechtes Gewissen. Joelyns Geischtsausdruck veränderte sich, wurde irgendwie kalt. ,,Du willst dich selbst schützen, vor deinen eigenen Problemen! Ich kann es dir ansehen", ihre Worte zerschnitten mich wieder.

Ich hatte sie noch nie so erlebt und sah ihr in das enttäuschte und zum Teil auch wütend und traurige Gesicht. Aber ich hatte keine Antwort für sie und schwieg. ,,Wenn ich so gewesen wäre, wären viele anders. Dann wäre ich hier schon lange raus und würde ganz normal leben! Denkst du ich bin hier all die Monate zum Spaß gewesen, während mein Leben außerhalb dieser Psychiatrie an mir vorbeizieht?!", Joelyn richtete sich auf und verstränkte die Arme vor der Brust. In ihre Augen trat ein undefinierbarer Ausdruck und ich biss mir auf die Unterlippe.

,,Ich bin anders als du", sagte ich leise und verstand nicht, warum ich mich so vpn ihr einschüchtern ließ. So war ich nicht, nie gewesen. Joelyn starrte mich lange schweigend an:,,Ich war lange hier, länger als du. Und ich habe jeden Moment ausgehalten und ihnen hier drinnen zu helfen. Jedem, auch dir!" Ich senkte jetzt den Kopf und versuchte nicht ganz zu versinken. Innerlich stieg sogar Wut in mir hoch. Ich war nicht Joelyn! Aber ich schwieg erneut. ,,Du glaubst immer noch, das das Leben hier drinnen darin besteht alleine durchzukommen. Aber wer alleine ist, stirbt", Joelyns Worte stachen mir erneut in die Haut und ich musste an Fenja denken.

,,Ich habe gesagt, ich-", began ich, stockte aber. Ich wollte nicht so werden, wie Joelyn. Ich war nicht Joelyn. Es war ihre Entscheidung gewesen, verdammt. Joelyn zog eine Augenbraue hoch, aber jetzt hob ich den Kopf und sah ihr tief in die Augen. ,,Immerhin gebe ich hier nicht mein halbes Leben für hoffnungslose Psychos auf, wie du", die Worte sagte ich einfach und irgendwie bereute ich sie sofort wieder, aber die Wut überdeckte das. Joelyns Gesichtsausdruck wurde starr und trotzdem genauso unergründlich. Dann entspannten sie sich wieder und eine solche Gleichgültigkeit trat hinein, dass ich kurz meine Wut vergaß.

,,Danke für diese schönen Worte, Anica!", meinen Namen betonte sie besonders und ich war erstaunt, wie gut sie sich ansonsten im Griff hatte, ,,Und vielleicht hast du ja Recht und ich hätte das alles nie tun sollen. Aber dann wärst du jetzt vermutlich tot. Und wenn dir das lieber ist, dann geh zu Jana und sag es ihr ins Gesicht, wie unwichtig ich hier bin. Denn dahin wirst du sowieso gleich gehen. Dahin wo es für dich noch Hoffnung gibt", diese Worte zuckten wie Stromschläge durch meinen Körper und ich wich fast einen Schritt zurück.

Aber Joelyn musterte mich erneut:,,Ich kann dich verstehen, irgendwo und irgendwie." Diese Worte waren ohne Wut und ich sah wieder zu ihr. ,,Viel Glück und werde glücklich, damit ich wenigstens Erfolg bei einem "hoffnungslosen Psycho" hatte. Denn es tut mir Leid dir Jana damals vorgestellt zu haben, wenn du das hören wolltest!", sie drehte sich um und verschwand stumm in den Flur zu ihrer Station. Und ich blieb stehen und sah ihr nach. Allmälig verflog die Wut und innerlich riss trotzdem alles. Als hätten ihre Worte etwas zerschnitten, was sich jetzt langsam zu lösen began. Ich strich mir durch die Haare. Gerade hatte ich mit den Anderen gelacht und jetzt schien all die Freude zu verschwinden, gänzlich und ließ nur den Selbsthass zurück.

Psychiatrie - Lasst uns zusammen sterbenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt