Kapitel 151

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PoV Anna

Ich betrat mein Zinmer und stand dann kurz einfach nur da. Alles schien in diesem Moment aufeinander zu treffen. Die wenigen Erinnerungen von den vergangenen Wochen, die ich quasi tot gewesen war. Das Zimmer schien kalt und leer. Ich schloss für einen kurzen Moment die Augen und ließ diese Atmosphäre auf mich wirken. Vermutlich hätte ich minutenlang so dastehen und die Bilder vor meinen Augen vorbeiziehen lassen können. Aber die junge Ärztin, die mich hier her begleitet hatte betrat ebenfalls das Zimmer. Sie lächelte kurz:,,Ich muss wieder hoch, kommst du klar?" Ich nickte und atmete erst auf, als sich die Tür schloss.

Ich war alleine. Aber ich hatte es so auch wochenlang ausgehalten, gefangen zwischen Leben und Tod in mir selbst. Und ich würde wieder alleine sein, falls ich hier raus kam. Von Lügen und Leere umgeben. Aber es war doch auch egal, oder? So lange ich hier raus kam und wieder normal wurde.
Langsam ging ich zu meinem Bett und setzte mich darauf. Ich strich gedankenverloren über die weiße Bettdecke und schluckte. Ja, ich hätte jetzt tot sein können. Und die Person, die mir das Leben gerettet hatte, wollte ihres loswerden... Kranke Welt...

Ungewollt fiel mein Blick auf Fenjas Bett. Auch dort lag die weiße Decke gefaltet auf dem bezogenen Bett. Es schien, als wäre sie trotzdem hier, auch wenn das nicht stimmte. Sie war wieder auf ihrer Station, eingeschlossen in Depressionen und bereit immer ihr Leben zu opfern.
Und jene, die auf mich gewartet hatten, lebten hier weiter ihren Tagesablauf, verloren sich zwischen dem Leben hier.
Nina war schon länger hier und ich mochte sie. Sie war zwar streitsüchtig und dickköpfig, aber auch einfühlsam und einfach sie selbst. Ich hoffte es einfach nur für sie, dass sie es zurück in das Leben der Welt schaffte.

Anica, die immer stolz war und nie schlechte Zeiten zu haben. Sie war aufmerksam und konnte sich in jeden hineinversetzen. Egal was sie damals getan hatte um hier her zu kommen, ob Drogen oder nicht, sie gehörte schon lange nicht mehr hier hin. Ihr Suizidversuch war ein Hilferuf gewesen, sowohl an sich selbst, als auch an uns. Sie wollte hier raus und das wünschte ich ihr einfach nur.
Und Jana? Sie war manchmal einfach nur teilnahmslos und wirkte oft nachdenklich. Aber auch sie konnte Lachen und verstehen. Sie war jemand, den man brauchte, auch wenn man nicht immer genau wusste warum.

Wir alle brauchten einander und vermutlich brauchtem wir alle auch Fenja, ob wir sie hassten oder nicht. Vielleicht verstanden wir es nicht immer, aber unser Leben hing voneinander ab. Hätte Fenja Anica damals nicht gerettet, wären beide tot. Ich wäre auch hier alleine im Bad gestorben, hungernd und alleine. Für Nina wäre eine Welt zusammengebrochen. Aber Jana hätte das alles sicher nicht verkraftet. Und wir hatten Fenja oft genug das Leben gerettet. Ob gegen ihren Willen oder nicht war egal, fest stand, dass wir einander brauchten, ob wir das wollten oder nicht. Und der Grund war dieser Ort. Er veränderte uns.

Bald würde es Mittagessen geben. Aber noch wollte ich nicht unbedingt losgehen. Ich wollte hier alleine sein und nachdenken. Meine Gedanken frei lassen und mich auf nichts anderes konzentrieren. Dabei war es doch egal, ob ich keine Familie mehr hatte und meine Psyche im Inneren am Ende war.
Für mich zählte es nur, dass ich wieder halbwegs normal aß und am Ende war es dem Tod eh egal, wie man starb. Aber den Lebenden war es nicht egal, sie wollten; dass man blieb. Und ich würde ab jetzt bleiben. Denn so alleine wollte ich nie wieder sein, egal wo ich war und sein würde.

Psychiatrie - Lasst uns zusammen sterbenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt