Kapitel 71

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PoV Fenja

Ich zog mir die schwarze Kapuze tief in mein Gesicht und strich mir die letzten Strähnen hinter die Ohren. Dann ließ ich die Ärmel über meine vernarbten Arme fallen und betrachte mich kurz im Spiegel. Wenn man mich nur flüchtig ansah, konnte man mich sicher nicht sofort erkennen. Außerdem hatte ich die Dunkelheit auf meiner Seite und der Mond war heute Nacht sowieso nicht zu sehen. Noch einmal sah ich in mein Spiegelbild und dachte kurz an früher. Mein normales Leben. Aber es war vorbei, egal wie glücklich ich einst gewesen war. Kurz fuhr ich mir mit gekrümmten Fingern über die Narben an meinem Hals und schloss kurz die Augen. Dann musterte ich mein Spiegelbild ein letztes mal und nickte ihm zu, wie einem letzten Gegner.

Schließlich wandt ich mich ab und trat in die den Türrahmen, die das Bad vom Zimmer trennte. Wenn ich schnell war, konnte ich der Kamera entkommen. Ich atmete tief durch, warf einen Blick auf die Kamera und drückte mich dann an der Wand zur Tür. Dort hielt ich kurz inne und sah über mich. So verharrte ich ein paar Minuten, bevor ich wieder zur Tür sah. Lautlos öffnete ich sie und betrat den dunklen Flur von Station 4.

Niemand war dort und ich schloss schnell die Tür. Dann sah ich den Gang und schlich mich an allen Türen vorbei.
Ich hatte nie etwas mit den anderen Jugendlichen hier anfangen gekonnt. Sie waren mir fremder als jeder andere hier auch wenn unsere Gedanken vermutlich gleich waren. Aber so hatte sich mein Ich nun einmal entschieden. Dafür mein Herz und meine Gefühle für mich zu behalten, alleine und unglücklich zu sterben. Immerhin konnte ich mein Leben selbst beenden und war dann auf niemanden mehr angewiesen. Niemand, der einem helfen wollte, einfach Freiheit finden und dieses bescheuerte Herz zum Stillstand bringen.

Erst als ich die Tür zum Treppenhaus betrat hielt ich wieder inne und lauschte. Aber dort war niemand, nur im Raum neben hier hörte ich leise Stimmen der Nachtpflegerinnen. Ich kannte keine von ihnen und war auch froh, das sie mich nicht unbedingt kannten. Sollten sie mich doch irgendwie erwischten...
Dann betrat ich das Treppenhaus und ließ kurz die Stille auf mich wirken. Hier waren keine Gedanken oder Bilder, wie in meinem Zimmer. Hier war Stille und ich sah kurz die Treppen runter. Eigentlich könnte ich einfach runterspringen oder mich irgendwie in den Essraum schleichen. Mir dort ein Messer nehmen und es sofort beenden, aber so wollte ich das nicht. Ich war selbst erstaunt darüber, das ich es nicht jetzt beenden wollte. Aber sterben wollte ich immernoch mehr als alles andere, nur musste ich vorher noch etwas erledigen. Etwas, was ich schon viel früher hätte tun sollen.

Ich ging lamgsam und lautlos die Treppen hoch. Oben hielt ich wieder inne und überlegte wieder einfach nach unten zu gehen und mir ein scheiß Messer in die Pulsader zu rammen. Aber genau in diesem Moment hörte ich Stimmen von unten und dann waren dort Schritte. Leise fluchte ich und betrat so schnell ich konnte den Flur zu Station 5. Erst als ich die Tür hinter mir schloss, wagte ich wieder zu atmen. Sie würden mich finden, aber ich musste es einfach versuchen. Zögernd sah ich in den dunklen Gang vor mir und versuchte mich an die Tür zu dem Zimmer zu erinnern, in dem ich die Zeit nach Paulas Tod verbracht hatte. Zusammen mit Anna. Ich musste einfach hoffen, dass sie schlief. Egal was auch kam, sie durfte den Grund für meinen "Besuch" nicht erfahren. Ich wollte das alleine tun.
Ich ging langsam alle Türen ab und hielt schließlich vor der Tür zu ihrem Zimmer. Ohne zu Zögern drückte ich leise die Klinke herunter und betrat das dunkle Zimmer.

Psychiatrie - Lasst uns zusammen sterbenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt