Kapitel 193

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PoV Anna

Ich schloss die Augen und versuchte mich auf die Stille um mich herum zu konzentrieren. Blendete alle Gedanken aus und blieb schließlich doch an einem hängen. Dem an meine Eltern. Ich öffnete meine Augen wieder und starrte in die Stille. Mein Herz hämmerte schmerzhaft in meiner Brust und schien darauf zu warten zu zerspringen. Es schien darauf zu warten, dass ich aufgab und ihnen folgte. Das die Last ihres Todes mich zu ihnen zog, dorthin wo es nichts mehr gab.Aber so würde es nicht werden, so durfte es nicht werden. Jetzt war ich stark, stärker.

Ich erinnerte mich kaum noch an sie. Das mir das auf einmal bewusst wurde, versetzte mir erneut einen Stich. Ich hatte sie vergessen, seit ich hier war, hatte sie aus meinem Leben geworfen. Sie gänzlich verdrängt. Und der Gedanke daran schien schlimm zu sein, aber irgendwo in meinem Ineren hatte ich schon lange mit ihnen abgeschlossen. Irgendwie. Ich hatte nie eine richtige wahre Bindung zu ihnen gehabt. Zumindest nicht, seit sie erfahren hatten, dass ich mich herunterhungerte. Sie hatten mich nicht gehasst, sie waren enttäuscht gewesen. Und ich hatte sie nicht verstanden, sie angeschrien und gesagt, es sei mein Leben.

Im Nachhiein war ich ihnen jedoch irgendwie dankbar dafür, dass sie mich an diesen Ort gebracht hatten, in diese vedammte Psychiatrie. Eine Klinik für psyhisch gestörte Jugendliche, wie mich... Aber ich hatte mich nun mal nie so gesehen, niemlas als einer dieser Psychos hier. Ich war kein Psycho gewesen, ein normaler Mensch, der sich anders sah, als er war. Aber doch nicht als psychisch krank. Krank im Kopf! So krank, dass man es selbst nicht einmal mehr merkte. So gestört, dass das Selbstbild ein komplett anderes war und man die Welt nur noch durch Gedanken wahrnahm. Nur meine Eltern hatten mich wirklich gesehen. Und ich war zu krank gewesen um es ihnen zu glauben. Psychisch krank...

,,Die Jugendlichen dort sind genau wie du", hatten sie gesagt und ich hatte sie dafür gehasst. Ich hatte es irgendwie gewusst, das es falsch war hierher zu kommen. Weil ich gewusst hatte, dass sie mir helfen würden und das hatte mein kranker Kopf nicht kapiert. Dir geht es gut, hatte er gesagt. Und dabei war ich es nicht gewesen, ich war gestört gewesen. Total krank in der Birne! Durch und durch ein Psycho! Ein verdammter Psycho, dem man einsperren musste! Ich war das gewesen! Ich war dieser scheiß Kranke gewesen! Ich!

Ich setzte mich ruckartig auf und fasste mir an die schweißnasse Stirn. Mein Kopf dröhnte und meine Atem war hektisch. Alles in mir schrie nach etwas, das es nicht gab. Wieso war ich so gewesen?! Ich fuhr mir durch die Haare und hasste mich für mein damaliges Ich. Das Ich, was ich einst gewesen war. Das ich, was gehungert hatte und fast gestorben wäre. Das Ich, was hier eingetroffen war und deren Eltern in der Gewissheit gestorben waren das ihr Kind in einer Psychiatrie war und sie dafür hasste. Ich hatte mich zerstört mit diesem Ich, ich hatte alles zerstört! Vorallem mich...

Ich presste den Ärmel meiner Jacke gegen meinen Mund und biss hinein. Aber die Tränen kamen trotzdem. Diese verdammt salzigen Tränen, deren einziger Sinn darin lag die Schwäche der Psyche zu zeigen. Sinnlos und doch immer da. Ich hasste sie und doch brauchte ich sie in diesem Moment. Mein Körper zitterte, die Gedanken waren blockiert und doch war da immer noch das Bild meiner Eltern. Wie ich sie anschrie, sie hasste, sie zerstörte! Ich hatte alles zerstört, mein gesamtes Leben und dafür saß ich jetzt hier. Mitten in der Nacht auf dem Bett einer Psychiatrie. Und wieder brach die Psyche in sich zusammen...tolles Leben...mein Leben...

Psychiatrie - Lasst uns zusammen sterbenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt