Kapitel 200

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PoV Fenja

Die Wände waren weiß. Waren sie immer schon so weiß gewesen? Mein Kopf schmerzte von den Tabletten und doch hatte ich das Gefühl noch nie so klar gedacht zu haben. Ich betrat den Flur zu Station 4. Für Depressionen, Selbstverletzung und Suizidgedanke. Für Suizidale. Für mich. Es war als würde man in eine andere Welt eintauchen. HIer gab es keine Freude. Die Jugendlichen redeten nicht, sahen sich stumm auf die Arme. Suchten in den Augen der anderen nach Hoffnung. Manche versuchten zu sterben, andere wollten leben. Und wieder andere saßen den ganzen Tag da und hingen dunklen Gedanken nach.

Ich konnte die Blicke der Anderen nicht erwidern, die mich musterten. Ihre Arme waren makellos, bis auf ein paar Narben. Für sie waren ihre Narben nur so lange schlimm, bis sie meine Arme sahen. Mir ins Gesicht sahen und auch dort Narben sahen. Bis sie die entstellte Haut meines Halses sahen, wo ich mir nicht nur einmal die Halsschlagader aufgeschnitten hatte. Ein kleiner Schnitt und alles wäre vorbei gewesen. Und doch hatte es nie funktioniert, nie hatte mich das Leben schnell genug verlassen. Die anderen Patienten sahen einen Psycho in mir, obwohl dieser Psycho schon lange tot war. Er war schon lange gestorben.

Nur der Körper lebte noch, aber auch er starb. Die Gedanken hielten ihn hier, an hauchdünnen Fäden. Er drohte zu zerbrechen, aber niemand schnitt die Fäden ganz durch. Sie schnitten sie nur an und hielten dann inne, wanden sich ab. Und die Fäden starben langsam, zerschnitten sich selbst. Es konnte ihnen nicht schnell genug gehen, aber die Gedanken flickten sie zusammen. Dieunter Medikamenten stehenden Gedanken, die unklar waren. Wie eine Nebelwand. Undurchdringlich und farblos. Die Medikamente halfen nicht, sie passten zu dem zerstörten ich, indem sie die Gedanken unklar und stumpf machten. Nur Gedanke zu sterben war klar.

Ich wollte mich umbringen. Ich wollte sterben. Ich wollte jetzt sterben. Aber diese scheiß Gedanken verriegelten alles. Ein Messer...ramm es dir in die Haut... Stumpf. Eine Klinge..zieh sie dir über den Arm... Was? Eine Kugel...jag sie dir in den Kopf... Wie? Tabletten...schlaf einfach für immer... Stille. Ein Dach...spring einfach... Wo? Eine Brücke...spring einfach... Mauer. Gib dich auf...stirb... Wer bin ich? Bring dich um....Jetzt... Kraftlos. Ritz dir die Haut auf! Du bist wertlos! Ich weiß.... Wie viele Versuche waren es...zu viele... Nimm dir das Leben! Warum lebe ich noch... Wie konnte Paula dich lieben! Schneid dir die Pulsader auf... Nebel.  Zu viele Gedanken...? Scheiß Medikamente...!

Wann hatte es angefangen so zu schmerzen. So zu schmerzen zu atmen? Wann hatte es aufgehört? Hatte es je aufgehört? Ich wusste es nicht. Aber die Medikamente blockierten alles. Aber sie jagten mir Bilder durch den Kopf. Eine Klinge, die meinen Arm aufschnitt. Tränen, die auf den blutigen Arm tropften. Das Piepen meines Herzschlages im Krankenhaus. Es schrie mich an: Warum schlage ich noch?! Tabletten, zu viele Tabletten. Ich würde sterben. Und wieder das Aufwachen. Wieso bin ich nicht tot...? Tiefste Stille, Dunkelheit. Schmerzen! Medikamente. Helfen sie? Nein, sie machen mich krank... geht das eigentlich? Ich hielt kurz inne. Mein Kopf dröhnte.

Dann ging ich weiter und betrat mein Zimmer. Weiße Wände. Waren sie schon immer so weiß gewesen? Ich fasste mir an den Kopf. Hatte ich mich das schon einmal gefragt? Ich setzte mich auf mein Bett. Noch immer war eine Mauer in meinem Kopf. Stirb! Ich sah zu den beiden Pflegerinnen. Kannte ich sie? Wo war Frau Tölke, wo meine Psychologin? Bring dich um! Ich schloss die Augen. Wo genau hatte ich mich verloren? Dunkelheit. Eine dunkle Mauer. Wer bist du schon? Mir war schlecht. Ich öffnete die Augen wieder. Aber dadruch wurden meine Gedanken auch nicht klarer.

Ich sah auf meine Arme. Wieso bin ich daran nicht gestorben? Mein Arm schien zu brennen. Jeder Schnitt hatte geschmerzt, aber ich hatte es nicht gezeigt. Jeder Versuch war voller Angst gewesen. Aber nicht davor zu sterben. Eher davor wieder aufzuwachen. Im Krankenhaus. Begleitet von meinem schreienden Herz: Warum lebst du noch?! Klingen... Ich hatte dieses Leben gehasst, ich hasste es immer noch. Wer waren meine Freunde gewesen, wer meine Familie? Ich konnte mich an nichts erinnern. Waren das die Medikamente oder das Aufgeben? Wann hatte ich das alles vergessen? Oder hatte ich es nur verdrängt? Ein Zug...ein Sprung...Dunkelheit...ein schreiendes Herz...Warum lebst du noch?!

Ich lehnte den Kopf an die Wand und versuchte mich auf meine Gedanken zu konzentirieren. Mein Körper war zerfressen von Depressionen und Narben. Meine Gedanken dunkel oder tot. Oder Vergessen. Wie tief konnten die Depressionen sich noch in mich fressen, bis sie mich umbrachten? Wann konnte ich endlich sterben und dieses Leben hinter mir lassen. Ich hatte vergessen, wie man glücklich war. Wann war ich das letzte mal glücklich gewesen? Was war Glück überhaupt? Hatte ich auch das vergessen? Gut möglich... Ich brachte mich um, immer und immmer wieder. Kein Wunder, dass ich kein Glück mehr kannte. Es war tot. Schon lange...

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200 Kapitel... Danke an alle, die mich bei diesem Buch unterstützen!! Heute mal 800 Wörter, also etwas länger. Da jetzt die 200 Kapitel erreicht sind, wird es mit der Fortsetzung "Psychiatrie - Lasst uns zusammen leben" weitergehen. ;)

LG FantasySoja



Psychiatrie - Lasst uns zusammen sterbenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt