Kapitel 12

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PoV Anna

Als Nina weg war, umgab uns lange Stille. Eigentlich hatten wir alle eine Therapiestunde, aber dafür hatte einfach niemand von uns noch Nerven.
,,Ich hoffe sie hat es geschafft...", meinte Jana plötzlich und ihre Aussage traf mich wie ein Schlag. Dachte sie das grade wirklich? ,,Ich meine...sie wird es eh wieder versuchen...sie bricht sich nur immer wieder auseinander und diese bescheuerten Psychologen flicken sie zusammen. Es wird sich nie ändern...", fügte Jana lamgsam hinzu und sie wischte sich ihre Tränen fort.

,,Ich weiß nicht...", murmelte ich leise, ,,Können wir über etwas anderes reden?" Die beiden anderen nickten wortlos und ich stand auf, wodurch auch Jana krampfhaft versuchte nicht umzufallen. Schwindel ergriff mich. Eigentlich musste ich mal wieder was essen, aber im Moment konnte ich das sowieso nicht.

Dann setzte ich mich zu Anica auf ihr Bett. Ein wenig beneidete ich sie ein Zimmer für sich zu haben.
Niemanden zu haben, der nicht spricht.
Niemanden zu haben, der sich das Leben nehmen will.
Niemanden zu haben, dessen Herz schon lange nicht mehr schlagen sollte.
Niemanden zu haben, desser Gedanken ihn erdrückten.
Rabenschwarze Gedanken.

,,Wieso hast du ein Einzelzimmer?", fragte ich ein wenig nachdenklich und sah zu Anica. Diese schien froh über den Themawechsel und began sofort zu reden:,,Erst war ich mit Aylin in einem Zimmer. Sie war wegen einer Rauchsucht hier. Aber dann hatten wir einen großen Streit und sie wollte nicht mehr zu mir ins Zimmer. Also bin ich hierhin gekommen. Ist besser so. Ich glaube mit ihr weiterhin in einem so engen Raum leben zu müssen, hätte ich nicht mehr lange ausgehalten." Ich nickte schweigend. Streit war hier wohl keine Seltenheit.

,,Lasst uns etwas essen gehen", schlug Anica schließlich vor und stand auf. Ihre Augen schauten noch immer erschrocken, aber sie lächelte schon wieder. Niemals würde ich ihr glauben, das sie in einer Psychatrie war, wäre sie nicht hier. Sie war immer glücklich und ein Drogenproblem schien sie auch nicht wirklich zu haben. Sie sah einfach normal aus.
Keine Knochen.
Keine Aggressionen.
Keine Tränen.
Keine Narben.

Ich folgte den beiden wortlos die Treppe runter in den Essraum und setzte mich einfach auf meinen Platz, während sich die anderen etwas vom Mittagsmenü an der Essensausgabe holten. Kurz sah ich sie mit einem schlanken Mädchen mit langen blonden Haaren reden. Sie sahen beide erstaunt aus. Dann kamen sie zu mir zurück.

,,Hey", sagte plötzlich Nina und setzte sich neben mich. ,,Keinen Hunger?", scherzte sie, doch ihre Augen sahen merkwürdig trüb aus. War etwas passiert?
,,Nein", meinte ich und schüttelte den Kopf. Natürlich hatte ich Hunger, aber ich würde trotzdem nichts essen. ,,Ich auch nicht", meinte Nina schließlich und wir warteten schweigend auf die anderen beiden.

,,Nina, Marlene hat uns gerade erzählt, das Joelyn gestern entlassen wurde", meinte Jana und strahlte etwas. Nina schien erstaunt und nickte dann:,,Sie hat es aber auch nach knapp einem Jahr hier definitiv verdient!" Ich sah die anderen fragend an:,,Wer ist Joelyn?" Anica lächelte etwas:,,Sie war her wegen Magersucht,genau wie du. Sie war echt hübsch und hat es verdient hier raus zu sein. Es war hier definitiv nichts für sie." Ich nickte bloß und erinnerte mich sogar an ein hübsches braunhaariges Mädchen, das gestern im Eingangsbereich gestanden hatte. Ich hätte sie niemals für einen Psycho gehalten.

Manche hier konnten ihre Probleme so gut verstecken und überwinden...warum konnten andere das nicht? Würde ich es schaffen oder so werden wie Fenja?
,,Man verlässt diese Psychatrie nur durch Suizid,-", fing ich leise an zu murmeln, doch Nina beendete es für mich:,,-sonst hast du sie nicht verlassen." Ich sah sie erstaunt an. Dann nickten wir alle vier. Es war die einzige Wahrheit hier.

Psychiatrie - Lasst uns zusammen sterbenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt