Kapitel 142

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PoV Anna

Was denkt man, wenn man so kurz vor dem Tod stand?
Vermutlich nichts; außer der bleibenden Panik.
Ich sah zur Decke und versuchte diese verdammten Gedanken irgendwie zu stoppen. Irgendwo über mir im schemenhaften Dunkeln lag diese weiße Zimmerdecke, die mich nur wieder an die letzten Wochen erinnerte. Ja, die Erinnerungen waren fast komplett wiedergekommen und das noch so kurzer Zeit. Aber die letzten Minuten bevor ich in die Dunkelheit geglitten war; waren fort. Ein Blackout. Schwarz und dunkel.
Ich schloss die Augen und atmete tief durch. Noch immer war dieser Brief in meinem Kopf, hatte sich dort festgesetzt.

Aber ich wollte nicht mehr an diese scheiß Welt und den Tod denken. Nicht jetzt, nicht dann, wenn alles besser werden soll. Die Tränen waren versiegt und die Trauer von Schmerz unterdrückt. Ich war immer ganz gut mit meinen Eltern klargekommen, aber trotzdem konnte ich nicht einmal lange genug um sie trauern.
Irgendwie hasste ich mich dafür, für jede nicht vergossene Träne, obwohl ich niemandem etwas schuldete. Es war mein Leben und ich musste damit mit meiner ganz eigenen Art umgehen.
Ich öffnete meinen Augen wieder und starrte in die Dunkelheit. In die endlos erscheinende Leere.

Wiedr kam mir mein Koma in den Sinn und ich erschauderte. Ich hatte so lange nicht gespürt; so lange nichts gehört, so lange nichts gesehen, so lange halbtot gewesen. Diese ganze Zeit war schwarz, einfach nur schwarz. Oder war es überhaupt schwarz? Gab es eine bodenlosere Leere, die schwärzer als alles andere erschien? Ich konnte es nicht beschreiben, aber vermutlich kam schwarz dem Ganzen am nähsten. Vielleich ja auch der Tod, obwohl es still gewesen war. Ich hätte nie aufwachen können und hätte es nicht bemerkt. Ich hätte sterben können, sterben und meine letzten Sekunden einem suizidalen Mädchen anvertraut. Was für ein trauriger Tod das gewesen wäre...

Aber egal ob tot oder lebend, diese letzten Minuten vor der Dunkelheit lagen nur noch bei Fenja. Ich kannte sie nicht, mein Kopf hatte es nicht erlebt, nur mein Körper. Ich war nicht dabei gewesen, war woanders gewesen und hatte diese Minuten meinem sterbenden Körper überlassen.
Und Fenja schwieg. Vermutlich würde sie mit diesen Minuten zusammen sterben. Nur sie und mein abwesendes Ich.
Nur unklar waren Fetzen in meinem Kopf. Wie sie mich musterte und mein Körper kraftlos und schwer schien. Wie ich ihr in die Augen sah, diese verschlossenen und traurigen grünen Augen.

Mehr war dort nicht, außer dieser Schwärze, die keine war. Meine Wangen pochten bei dem Gedanken daran und ich verdrängte diesen. Ich wollte nicht mehr an die negativen Dinge denken und doch musste ich es, weil es die positiven Veränderungen geschaffen hatte. Ich konnte wieder essen, obwohl ich mich manchmal noch schwer tat.
Ich erinnerte mich wieder an meine Ankunft in dieser Klinik. Ich hatte mich seitdem sehr verändert. War offener geworden. Hatte jetzt sogar angefangen zu essen und hatte vieles Neue kennengelernt. Ich war anders geworden, aber im Positiven Sinne. Mein altes Ich vermisste ich nicht, nur die Zeit, die ich nicht genutzt hatte.

Mein Blick fiel auf die Uhr. 23:56. Seit knapp drei Stunden lag ich also schon wach und dachte nach. Scheiß Gedanken. Ich seufzte und sah zur Infusion, die mir in Arm steckte und durch die immernoch eine durchsitige Flüssigkeit in meinen Arm lief oder gepumpt wurde. DerAnblick ekelte mich immernoch und ich wandte schnell den Kopf zur anderen Seite, zum Fenster. Draußen war es dunkel, ohne Sterne oder den Mond. Nachschwarz. Rabenschwarz.
Ich atmete tief durch und sah wieder zur Decke. Müdigkeit überkam mich und ich ließ nach mich gegen die Dunkelheit zu wehren. Gab einfach auf...

Psychiatrie - Lasst uns zusammen sterbenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt