Kapitel 58

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PoV Anica

Früher hatte ich mich immer gefragt, wie eisige Kälte im Inneren sich wohl anfühlen musste. Wie es einen zerreißen musste, wenn sich die eigenen Gefühle plötzlich zu Eis verwandelten und wie diese einfach erfrohren. Einfach stehen blieben in der Zeit, wie man nur noch Kälte spüren konnte, die mit eisigen Krallen nach einem griff und dann diese dann um den Hals legte um immer mehr zu drücken begannen. Ich hatte nie verstanden; warum wie man nichts mehr außerd dieser verdammten Kälte fühlen konnte. Wie man sich einfach nicht dagegen wehren konnte und von ihr eingenommen wurde.
Jetzt wusste ich es immerhin, wie sie sich anfühlte, die Kälte, welche meinen Körper umschlang und einhüllte ohne einen Funken Wärme oder Hoffnung.

,,Suizid ist keine gute Lösung...", murmelte ich und versuchte verzweifelt diese Kälte loszuwerden, die sich immer weiter in mir ausbreitete. Jana sah mich an und ich wollte wegsehen. Wegsehen von ihren tristen Augen voller Traurigkeit. Aber ich sah hinein und fühlte trotzdem nichts außer des Eises in mir. ,,Warum wolltest du es dann beenden?", flüsterte sie und schluckte. Sie tat mir nicht einmal Leid, wie sie so dasaß und mit den Tränen kämpfte, weil dort nur Kälte war. Scheiß Kälte.

Ich musterte sie kurz:,,Weil ich dumm und schwach bin..." Meine Stimme klang so fest und so emotionslos, das ich mir auf die Lippen biss. Warum konnte ich bloß nur noch kälte fühlen?! Wo war die Wärme, die Hoffnung? Jana wischte ihre Tränen fort und hob den Kopf. Dann strich sie mir die Haare aus dem Gesicht:,,Du bist nicht schwach. Wenn du schwach wärst, hättest du es geschafft." Ich wollte gerade etwas antworten, aber sie redete einfach weiter. Ihr Blick wanderte zum Fenster:,,Ich weiß, was du sagen willst. Und ich glaube dir, das du die Antwort nicht weißt. Das zeugt doch erst recht von Stärke und Mut oder?" Ich schwieg einfach und versuchte verzweifelt die Kälte in mir loszuwerden. Ich wollte Jana trösten und ihr helfen. Irgendwie...aber ich konnte nicht...

,,Weißt du, was ich gedacht habe, als du da so lagst und fast gestorben wärst?", fragte sie und ich sah, wie ihr Blick sich verkrampfte. Warum konnte sie mit den Tränen ringen und meine wollten einfach nicht kommen? Ich schüttelte den Kopf und folgte ihrem Blick. Jana biss sich ebenfalls auf ihre Unterlippe und zögerte kurz. ,,Ich dachte, das es wegen mir ist...ich dachte ich habe dich kaputt gemacht mit meiner scheiß Vergangenheit...", sagte sie stockend, aber sie weinte nicht, hielt ihren Blick standhaft auf iegendeinen Punkt weit fort von hier gerichtet.

Dann sah sie mir direkt in die Augen. Ich zögerte kurz. Sie war nicht Schuld, nein. Aber wie sollte ich das sagen, wenn meine Gefühle von der Kälte festgehalten wurden? Also schwieg ich und wollte einfach nur weinen.
Plötzlich beugte Jana sich vor und umarmte mich, so wie so oft. Fast sofort fiel die Kälte von mir und ich fröstelte kurz, bevor ich sie an mich drückte. Zum ersten mal spürte ich nasse Tränen meine Wange herunterlaufen.

,,Du warst nicht Schuld", flüsterte ich und legte meinen Kopf auf ihre Schulter, ,,Ich allein bin Schuld daran..." Jana nickte kurz und ich schloss die Augen. Ohne Jana hier zu sein konnte ich mir nicht vorstellen. Ohne jemanden, der an meiner Seite war und mich irgendwie verstand. Wir akzeptierten einander so sehr, das sie mir alles sagte, obwohl sie es nicht immer wollte. Wir vertrauten uns mehr als uns selbst und ohne sie wäre ich vermutlich schon lange tot. Von der Freiheit geraubt und nicht losgelassen.
Nein, Jana durfte nicht gehen. ,,Wir finden eine Lösung...", flüsterte ich und schluckte. Denn ob es überhaupt eine gab, war ich mir nicht sicher...

Psychiatrie - Lasst uns zusammen sterbenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt