Kapitel 32

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PoV Anica

Ich sah einfach nur zu, wie sie versuchten mich zu retten. Ich war nur leider nicht mehr zu retten. Es war zu spät. Trotzdem hörte es etwas auf zu bluten und jedes Geräusch wurde dumpfer. Ich sah ihnen nach, als Jana und Anna Fenja folgten. Nur die Pflegerin war noch da und beobachtete mich. Aber Sanitäter kamen keine.

Mittlerweile waren da nur noch Schmerzen, wo einst ein Herz geschlagen hatte. Ich sah immer wieder schwarze Punkte vor meinen Augen, aber die Dunkelheit wollte nicht kommen. Man wollte, das ich litt, dabei war alles umsonst. Niemand würde mich vermissen, dies war eine verdammte Psychatrie ohne Freiheit. Und ich brauchte sie so sehr. So lange hatte ich darauf verzichtet. Zu lange...

Ich fragte mich plötzlich, warum Fenja überhaupt hier gewesen war und versucht hatte mich zu retten. Sie wollte doch auch sterben. Aber ich konnte einfach nicht noch länger darüber nachdenken. Jeder Gedanke schien herbeizukommen um sich zu verabschieden und doch war ich so allein.
Ja, im Tod war man allein, das wurde mir erst jetzt bewusst. Aber dort war auch die Freiheit, aber was ist, wenn die Freiheit nicht für dich sorgt? Dann bist du für immer allein, gefangen in deinem eigenen Blut, stehst du dort, das Messer, das dein Leben beendet hat noch in der Hand. Und dann erst merkst du, wie allein du bist und es trotz aller Probleme nie warst. Aber das begreift man nicht so schnell, erst wenn die Hoffnung langsam verglüht.
Aber nicht alle konnten so denken, Fenja war es egal, das wusste ich.

Nie hatte ich darüber nachgedacht allein zu sterben, niemals. Ich hatte immer alt werden wollen, hatte mich gesund mit allen meinen Freunden lachen gesehen. Aber was hatte ich stattdessen bekommen? Ein kaltes Leben mit winziger Freiheit und schließlich Suizid.

Plötzlich began mein Körper wieder zu kämpfen, um sein Leben. Ich versuchte meine Augen auf die Pflegerin zu fixieren, obwohl dort noch mehr schwarz war. Jeder Wimpernschlag schmerzte und ein Teil von mir wollte loslassen. Aber der andere Teil wollte leben und dieser Teil war stärker. Er war ein Kämpfer, ohne Angst.

Mein Arm war taub, als die Sanitäter kamen, doch ich nahm sie kaum noch wahr. Mich umgab eine Art Nebel, der alle Geräusche dämmte und die Sicht verdüsterte. Und er wurde dichter, zog sich fester um mich, wie eine Schlinge.
Und nun fühlte ich mich, wie auf einer Brücke. Unten ist ein Fluss und die eine Seite der Brücke ist dunkel und dort ist schwarzes Land. Auf der anderen Seite ist ein Wald, eine Wiese und dein Leben, wie es dort liegt und in den Himmel schaut. Auf der dunklen Seite ist dein Tod, wie er dir deine Hand entgegenstreckt und dich anlächelt.
Ich könnte springen und dann auf zu ihm gehen, ich sah, wie er mich aus dem Wasser fischte und wie einen Schatz an sich nahm. Und ich musste mit ihm, denn ich hatte verloren.
Oder aber ich zog meine Halteseile fest und dann würde ich zum Leben gehen und mich neben es legen. Dann würden wir zusammen in die Wolken sehen und ich würde lachen und wir würden einander verstehen.

Ich nahm kaum noch etwas wahr, nur noch meine Gedanken. Und immer mehr Kreise zogen vor meinen Augen lang. Eigentlich war es das, was ich gewollt hatte und doch war es falsch. Ich sammelte meinen Mut, wenn ich starb, würde ich alleine sein, aber dann würde ich nicht in Angst sterben.
Meine Gedanken zogen vorbei und neue kamen hinzu. Ich wollte nicht mehr sterben, aber vermutlich war es zu spät. Ich hatte mein Leben geöffnet und der Tod hatte es sich genommen. Schließlich wurde alles schwarz und mich schloss meine Augen. Aber dort war kein Mut, nur Angst und Reue.

Psychiatrie - Lasst uns zusammen sterbenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt