Kapitel 79

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PoV Anica

Ich sog scharf die Luft ein und versuchte es mir nicht anmerken zu lassen, wie diese Frage mich überraschte. Und zugleich war es doch eine besondere Frage. Sie fraß sich in mein Herz und nistete sich dort ein. Zeigte mir, dass ich sie noch nie beantwortet hatte und keine Antwort wusste. Vielleicht gab es auch einfach keine, weil meine scheiß Gedanken sich diese Sucht ausgedacht hatten. Den unstillbaren Willen die Freiheit zu besitzen, egal wie hoch der Preis auch war. Denn ich war bereit gewesen den höchsten Preis zu zahlen, den man zahlen konnte: Ich war bereit gewesen mein Leben gegen unendliche Freiheit zu tauschen!

Ich zuckte mit den Schultern und musterte die Psychologin. Sie nickte und überschlug die Beine. Dann lächelte sie:,,Weißt du eigentlich, dass es viele Menschen gibt, die sich nach Freiheit sehnen und diese eigentlich schon lange besitzen?" Ich runzelte die Stirn und hatte keine Lust mich mit dieser Feststellung, ob wahr oder falsch, zu beschädtigen. Und ganz verstehen tat ich die Frage auch nicht wirklich. ,,Nimm zum Beispiel dein Leben. Stell dir vor, du würdest morgen tot sein, was würdest du dann heute machen?" Ich zuckte erneut mit den Schultern, aber dieses mal erwartete sie eine Antwort aus Worten.

Kurz dachte ich nach und versuchte dabei einmal nicht daran zu denken, dass sich der Tod nach mir ausstreckte. Seine Arme um mich schlang und mich zum Suizid zwingen wollte.
Dann sah ich zu Boden und murmelte:,,Ich würde etwas tun wollen, was ich hier nicht tun kann." Einmal die Wahrheit sagen..warum ist Lügen nur so viel einfacher?
Ich wusste selbst nicht, warum ich nicht einfach wieder log, eine weitere Lüge weitergab. Die Psychologin beugte sich vor und sah mir in die Augen, sodass ich den Kopf hob. Ihr Lächeln war verschwunden und doch war dort nur eine stumme Freude in ihren Augen.

,,Ist es dann nicht Freiheit genug leben zu dürfen, nicht eingesperrt an einem Ort gehalten werden?", sagte sie dann und lehnte sich wieder zurück. Aber ihr Blick blieb srtandhaft und ich musste ihr schon irgendwie Recht geben.
Mein Leben liebte ich, wollte es mir niemals nehmen, aber meine Gedanken waren nun einmal so viel stärker. Kontrollierten mich, wollten mich ganz besitzen. Mich umbringen und lockten mit einer nie endenden Freiheit für einen zu hohen Preis. Aber meine Gedanken waren nun einmal stärker. Warum verstand das denn niemand hier, dass die Gedanken uns kontrollierten, das wir wegen ihnen hier waren?

Ich nickte und versuchte überzeugt zu wirken. Aber jetzt hatte diese dumme Psychologin wieder diese Angst geweckt. Angst vor Finsternis und Dunkelheit. Ich musste zugeben, dass sie mich mehr verstand; als jede andere der bescheuerten Ärzte hier, aber niemand würde mich je ganz verstehen. Meine Gedanken verstehen. Auch ich nicht.
Sie sah kurz auf ihre Uhr und sagte dann:,,Du kannst jetzt gehen." Sofort stand ich auf und ging schnell zur Tür. Gerade als ich gehen wollte, sagte sie aber noch etwas:,,Und bitte gewöhn dir an die Wahrheit zu sagen, denn jede Lüge wirft Schatten."

Draußen auf dem Flur hielt ich kurz inne und atmete auf. Diese Therapiestunde war merkwürdig gewesen und hatte meine Gedanken geweckt. Verdammte Angst um Anna. Angst vor der ewigen Stille ohne Worte. Vielleicht war es sogar gar nicht mal so dumm sich einfach umzubringen, denn dort waren keine Gedanken und Gefühle. Aber der Preis war zu hoch, zu teuer. Und würde kämpfen, egal wie viele Gedanken noch kamen. Auch wenn ich nicht wusste, wie lange ich das noch aushielt. Aber ich wollte endlich ohne Gedanken und Angst leben. Der Preis scheint zwar hoch, aber das Leben ist ein geringer Preis in den Gedanken...

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Sorry für die späte Veröffentlichung. Hatte etwas Stress heute. ;)
LG

Psychiatrie - Lasst uns zusammen sterbenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt