Kapitel 149

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PoV Jana

Ich verließ den Essraum. Tränen brannten in meinen Augen, aber ich ignorierte sie. Vor mir rannte Anica die Treppe hoch. Ich hielt inne. ,,Anica, jetzt warte dich mal!", rief ich ihr hinterher. Dann rannte ich ihr erneut nach. Die ersten Treppenstufen rannte ich noch recht unsicher hoch, aber dann steigerte ich das Tempo. Zum Glück schienen fast alle beim Essen zu sein. Denn schon nach kurzer Zeit sah ich Anica wieder vor mir und rannte noch schneller. Ich nahm teilweise zwei Stufen aufeinmal und packte Anica dann an der Schulter. Dann riss ich sie herum und sah in ihr Gesicht, die blau-grauen Augen.

Kurz starrten wir uns einfach nur an, sahen den Schmerz in den Augen des Anderen. Dann umarmte ich sie einfach und legte meinen Kopf auf ihre Schulter. Kurz zögerte Anica, aber dann erwiderte sie das und lächelte. ,,Mir tut es auch Leid", flüsterte ich leise, als sie mich an sie drückte.
Anica schwieg einfach und nickte. Dann lösten wir uns und standen kurz einfach nur so auf der Treppe. ,,Dir muss es nicht Leid tun, ich bin selbst Schuld", sagte sie dann und ihre Stimme klang so gebrochen, dass ich tief Luft holte.

,,Jeder Mensch macht Fehler", flüsterte ich nur und lächelte. Sofort erwiderte sie es und dann standen wir wieder schweigend nebeneinander. Sonnenstrahlen fielen durch eines der Fenster und ließen Anicas graues T-Shirt fast weiß scheinen. Weiß, wie die Leere.
Ich setzte mich auf die Stufe unter mir und sofort tat Anica es mir gleich. Sir seufzte und genoss kurz mit geschlossenen Augen die Sonne. Als sie die Augen wieder öffnete, lagen ihre ruhigen Augen wieder auf mir. Wie sehr ich diesen Blick von Vertrauen vermisst hatte. Dieser Streit schien plötzlich weit weg und doch hatte er noch bis vor ein paar Minuten angehalten.

,,Wie geht es dir im Moment?", fragte Anica dann und ich sah in ihre leuchtenden Augen. Das blau siegte wieder über das triste grau. ,,Bis vorhin echt scheiße, aber naja, das kenne ich ja schon", sagte ich dann. Anica wollte wieder etwas sagen, aber ich schüttelte nur langsam den Kopf. Sie hatte sich schon entschuldigt. Eine weitere Entschuldigung brauchte ich nicht. Ich wusste, dass sie es bereute, so wie ich. Anica lächelrte daraufhin und lachte kurz. Sie sah zur Seite und schüttelte auch den Kopf:,,So unnötig das Ganze..." Ich grinste auch.

,,Und dir?", fragte ich stattdessen schnell und lehnte meinen Rücken gegen die Wand. Die grau gekachelte Stufe auf der ich saß knarrte kurz. Anicas Bluck wurde wieder ernst und ihre Gesichtszüge verkrampft. Man merkte sofort, dass sie nicht gerne darüber reden wollte. ,,Es war schlimm, dieses Gefühl der Einsamkeit und der Reue", flüsterte sie fast und ihr Blick traf meinen. Es lag erneut Reue darin und ich nickte. Dieses Gefühl hatte ich auch gehabt. So ungefähr, aber wie schlimm es wirklich gewesen war, würde ich ihr nicht erzählen. Ich verschwieg die schlaflosen Nächte. Ich verschwieg die Träume von damals. Aber vor allem das Gefühl der Einsamkeit, was einen in die Ecke drängte, verschwieg ich.

Dann schwiegen wir einfach. Wozu brauchte man auch Worte, wenn man den Anderen auch so verstand. Verstand, wie dieser tickte und dachte. Wir sprachen nur dann, wenn wir Gedanken loswerden mussten oder einfach einen Ausweg brauchten. Ich würde sie vermutlich am Meisten vermissen.
Noch ein paar Tage, dann würde ich verlegt werden und der Gedanke daran war kalt und einsam. Angst davor hatte ich nicht, nur Angst dort niemanden mehr zu haben, der mich verstand. Anica musterte mich. Sie zog eine Augenbraue hoch und lächelte. Darüber würde ich mit niemandem sprechen, auch mit Anica nicht...

Psychiatrie - Lasst uns zusammen sterbenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt