Kapitel 164

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PoV Anica

Ich musterte Fenja, wie sie die Tabletten zur Seite legte und sich etwas in ihrem Gesichtsausdruck veränderte. Es schien, als würde jedliche Farbe in ihren Augen zusammenbrechen. Irritiert sah ich zu den Anderen und ubsere Blicke trafen sich. Auch sie hatten es bemerkt. Fenja senkte den Kopf und kurz kniff sie sogar die Augen zusammen. Mein Blick wanderte zu ihrer Pflegerin und der Psychologin. Diese musterten Fenja ebenfalls, bevor Frau Tölke kurz nickte und dann zu Fenja ging. Leicht genervt nahm sie die Tabletten und drückte mit ihrer einen Hand Fenjas Kopf nach oben. Dann wandte ich einfach den Blick ab.

Ich hörte ein kurzes Schlucken und ein ersticktes Aufatmen. Dann ein Seufzen von Frau Tölke und sich entfernende Schritte. Kurz überlegte ich, dann sah ich wieder zu Fenja. Ihr Blick war gesenkt und ein paar rote Druckstellen waren an ihren Kiefer zu sehen. Aber ihr Blick war unverändert. Frau Tölke und die Psychologin redeten am Ende des Essraumes miteinander und gerade schüttelte diese den Kopf. Stille herrschte an unserem Tisch. Dann ergriff Anna das Wort und es klang etwas unsicher:,,Danke, dass du mir damals das Leben gerettet hast." Ich sah wieder zu Fenja, aber diese zeigte keine Reaktion.

Dann hob sie kurz den Kopf und sah Anna in die Augen. Dieser starre und unwirkliche Blick schien noch trister zu werden. Sie nickte fast unmerklich, aber ihre Gedanken schienen ganz woanders zu sein. Dann traf ihr Blick mich und ich zuckte innerlich zusammen. So viel Traurigkeit lag in ihrem Blick, dass ich am liebsten den Blick abgewandt hätte. Dann seufzte sie und senkte wieder den Kopf. ,,Was?"-, wollte Anna erneut fragen, aber Fenja stand gerade auf und sah wieder zu uns. Sie zog sich ihre Ärmel bis zu den Ellenbogen hoch und zum ersten mal sah ich wirklich aus ihre vernarbten Unterarme.

Unzählige Narben zogen sich dort lang, über den Handrücken. Vor allem um ihre Pulsadern herum schienen sie unzählbar übereinander zu liegen und zu verschmelzen. Wie viel Schmerz muss ein Mensch in sich tragen um sich soetwas anzutun?
Fenja bemerkte meinen Blick, aber vermutlich kannte sie diese. ,,Ich habe immer versucht zu leben, aber mein Leben kann man nicht mehr retten. Ihr sollt es ihr rausschaffen-", sie brach ab und kniff kurz die Augen zusammen, als dirchzuckte sie ein Schmerz. Dann drehte sie sich um und ging humpelnd in Richtung der Tür. Ihr Blick war auf den Boden gerichtet.

Ich musterte die Anderen. Anna schien am Meisten erstaunt über Fenjas Worte, obwohl wir sie alle schon einmal gehört hatten. Bei meinem verdammten Suizidversuch damals. Als ich so dumm gewesen war, mir das Messer in den Arm zu rammen. Ohne Gefühle oder Emotionen. Eiskalt und ohne Gedanken. Getrieben vom Willen nach Freiheit. Und dann hatte i h es doch bereut und ohne diesen suizidkranken Psycho wäre ich tot. Einfach gestorben vor Annas und Janas Augen. Und mich hätte es nicht interessiert, ich hätte mein scheiß Ziel erreicht und doch  nicht gewonnen. Ich hatte mein Leben nur dank ihr zurück.

Aber dankbar war ich ihr nicht wirklich. Nur dafür, dieses Leben endlich anders wahrzunehmen. Im Gegensatz zu früher war ich mir sicher, es auch ohne Fenjas Hilfe überlebt zu haben. Ich hätte mich nur nicht so schnell von allen erholt. Aber Fenja erjolte sich auch nie. Zum ersten mal verspürte ich fast schon wieder Hass gegen sie. Sie wollte ihr Leben fortgeben, sich aufgeben. Dabei verstand sie nichts vom Leben, hatte nie einen Moment genossen. Ich biss mir auf die Lippen um nichts zu sagen. Ich kann Fenja nicht dankbar sein. Ich schulde ihr nichts, kein Leben und keine Sekunde!


Psychiatrie - Lasst uns zusammen sterbenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt