Kapitel 173

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PoV Anica

,,Und was?", versuchte ich meine Traurigkeit hinter Worten zu verstecken. Mein Herz schien sich bei jedem Atemzug zu verkrampfen und jedes Wort legte sich wie Blei auf meine Zunge. Ich kannte Joelyn schon so lange, dank ihr hatte ich Jana kennengelernt und sie hatte es geschafft, dass ich vergaß, was mich runterzog. Für sie waren wir zwar psychisch krank, aber sie nahm uns anders war. Was Psychologen in einem halben Jahr nicht schafften, schaffte sie in wenigen Minuten. Jeder hörte ihr zu, genau wie sie zuhörte. Sie war vermutlich einfach einfühlsamer und verständnissvoller als alle anderen hier.

Joelyn holte wieder tief Luft und sah mir dann tief in die Augen:,,Pass gut auf Nina, Anna, Jana und auch auf Fenja auf... ich kenne euch alle besser als ihr euch manchmal selbst. Aber wenn ich hier raus bin: Kannst du dann so wie ich werden? Dich um die Jugendlichen hier sorgen?" Ich hielt inne und vergaß kurz zu atmen. Joelyn bat mich gerade ihre Aufgabe zu übernehmen, mit anderen zu reden. Ich zuckte fast unmerklich zusammen. Und egal wie sehr dieser Gedanke mir gefiel, ich wusste selbst am Besten, dass niemand Joelyn ersetzen konnte. Niemand konnte das.

,,Du glaubst also ich könnte so werden wie du? Sie alle verstehen und mit ihnen reden?", ich konnte es nicht wirklich fassen. Es klang so unlogisch. Joelyn lächelte milde und dann musterte sie mich. ,,Du bist nicht krank, Anica. Ich kenne dich lange und das was du brauchst ist eine Aufgabe, wenn Jana weg ist. Du hast es geschafft, sie aufzubauen und das kannst du auch mit Anderen schaffen. Und es sind nicht viele", sie zwinkerte mir zu und dann lachte sie fast kurz auf, ,,Wie wäre es, wenn du einfach dafür sorgst, dass Anna und Nina hier rauskommen?"

Ich schüttelte kurz den Kopf. Beide würden es hier auch ohne mich rausschaffen. ,,Worauf willst du wirklich hinaus?", fragte ich einfach und Joelyn seufzte. Dann lehnte sie sich zurück, sah sich kurz um und dann wieder zu mir. ,,Seit Paula weg ist-", hob sie an, aber ich schnitt ihr sofort das Wort ab:-,,Um Fenja kümmer ich mich nicht. Egal was du denkst. Ja, sie hat mir vielleicht das Leben gerettet, aber ich schulde es ihr nicht ihres zu retten, wenn sie das nicht will! Und außerdem bin ich nicht hier um einem Psycho die ganze Zeit Suizidgedanken ausreden zu müssen!"

,,Woher weißt du denn, dass sie nicht mehr leben will?", fragte Joelyn ruhig und musterte mich erneut. Ich lachte kurz auf:,,Weil sie sich jedes mal eine scheiß Klinge in den Arm rammt, wenn sie kann!" In diesem Moment war ich froh, dass wir alleine im Essraum waren. Denn sonst würde man uns sicher unterbrechen.
Joelyn schaute mich immer noch gleichgültig an:,,Hast du doch auch schon gemacht." Sie klang so gleichgültig, dass ich kurz innehalten musste. Ich überlegte kurz:,,Aber ich wollte nicht wirklich sterben." Joelyn zog eine Augenbraue hoch und beugte sich über den Tisch zu mir:,,Und warum hast du es dann getan?"

Zuerst wollte ich nicht antworten, dann seufzte ich und beruhigte mich etwas. ,,Ich weiß es nicht... vielleicht wollte ich doch irgendwie sterben und irgendwie auch nicht...", ich hielt kurz inne, dann seufzte ich, ,,Aber bei Fenja ist das anders... ich meine, sie will nichts anderes als sterben..." Ich vergrub kurz mein Gesicht in den Händen. Joelyn nickte nur, dann schloss sie die Augen und dachte nach. ,,Und doch glaube ich nicht, dass es nicht einen Grund geben könnte, dass sie leben will. Und wenn Paula noch leben würde, wären beide sicher ganz anders geworden...", Joelyn öffnete die Augen wieder und seufzte. Ich hob den Kopf und versuchte meine Überraschung zu verbergen, obwohl es misslang:,,Warum?" Joelyn überlegte kurz. Was weiß sie über die Beiden, was ich nicht weiß..?

Psychiatrie - Lasst uns zusammen sterbenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt