Kapitel 179

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PoV Nina

Ich betrat den Therapieraum und setzte mich auf den weißen Stuhl. Meine Psychologin war noch nicht da, also wartete ich. An Lynn wollte ich nicht mehr denken, nicht jetzt, wenn sie sehen konnten, dass sie einmal etwas richtig gemacht hatten, indem sie uns nie getrennt hatten. Wie oft hatten sie darüber nachgedacht uns einfach auf Einzelzimmer zu stecken, aber getan hatten sie es nie. Der einzige Grund hier etwas positives zu finden ist nur, dass man erkennt, wer man ist und das man alles ändern kann und sie darüber nicht entscheiden konnten. Der Ort hier, ja ich sprach es aus, diese Psychiatrie; war schlimm doch hatte ich mich selbst hier gefunden.

Plötzlich kamen mir wieder diese Worte von Fenja in den Sinn "Diese Psychiatrie verlässt man nur durch Suizid, sonst hat man sie nicht verlassen." Und zum ersten mal hatte ich das Gefühl mich in diesen Worten wiederzufinden, in den Worten einer Deprssiven. Denn es stimmte, ich hatte mein einstiges Ich vergessen, es geändert. Und auch meine Wut war tot, obwohl es Kinnie noch immer gab. Und in diesem Moment bekam ich eine Gänsehaut, als ich daran dachte, wie es sein musste, sich selbst nicht zu kennen. Wer bin ich damals bloß gewesen?!

Ich hatte kaum darüber nachgedacht, wie ich vor meiner Veränderung gewesen war. Zum ersten mal verstand ich jene Leute, die Abstand gehalten hatten, weil ich vermutlich immer übertrieben hatte. Einmal hatte mein altes Ich viele Freunde gehabt und sehr gute Noten. Dieses alte Ich war beliebt gewesen und war dann durch ein dummes und neues Ich ersetzt worden, dass keine Gefühle außer dem Feuer der Wut kannte. Und jetzt gab es ein komplett neues Ich, seit Lynn und ich uns angefreundet hatten, aber irgendwie würde ich die Erinnerungen an damals wohl nie ablegen können. Und doch trauerte ich nichts nach.

Ich hatte nie eine Wahl gehabt, war eine Kämpferin gewesen, aber die Meisten würden das nie verstehen. Nie würden die Meisten diese Aggressionen verstehen, die ich einst hatte. Niemand würde je die Angst sehen, die hinter den wütenden Augen gesteckt hatte. Eine stumme Angst alles zu verlieren. Und ich hatte alles verloren, aber auch gewonnen. Hatte all das besiegt. Es war als würden in diesem Moment alle Wut von mir fallen und trotzdem war doch noch ein Stück da, was nicht verschwinden wollte. Und dieses Stück schien voller Gefahren, sodass ich es verdrängte. Ich würde es aber noch loswerden, denn sonst war ich verloren.

Ich wusste nicht, was passiert wäre, wenn ich hier nicht reingekommen wäre, vielleicht hätte ich sogar jemandem das Leben genommen, denn mein altes Ich hatte keinen Verstand, sondern nur Wut gekannt. Dieses Ich war kalt und wollte Schmerzen von anderen sehen um die eigenen zu überdecken. Jene Schmerzen, die sich in meine Brust gefressen hatten und mir Dunkelheit und ein schwaches Ich gezeigt hatten. Ich hatte immer stark sein wollen, war nie verweichlicht gewesen und meine Schmerzen nie zugegeben. Und trotzdem gab es Menschen, die diese gesehen hatten. Und eine dieser Personen war Lynn gewesen.

Ich sah auf meinen weißen Hoodie, auf dessen Ärmeln sich rote Ranken wanden. Ich war doch stark gewesen, oder? Nein, ich war dumm gewesen. War ein sinnloser Mensch, dessen Leben zerstört worden war, als sich alles gegen ihn wand. Das erste Ich hatte sich aufgegeben und Platz für das kaltherzige Ich gemacht. Weil beide schwach waren, egal wie stark sie ausgesehen hatten. Aber wer verstand mich schon, der dieses Gefühl nicht kannte? Niemand sonst hatte mich verstanden, nur Lynn. Und mit ihr war ein Teil des neuen Ichs gegangen. Aber damit akm dieses klar, denn dieses Ich war stark, klug und durchsetzungsfähig.


Psychiatrie - Lasst uns zusammen sterbenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt