Kapitel 33

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PoV Anna

Ich sprang auf und sah mich um. Alles in mir schrie danach bei Anica zu bleiben und sie zu retten. Und doch, wenn sie es schaffte, dann war Fenja daran "Schuld" und dann sollte sie auch hierbleiben. Kurz sah ich zu Jana. Sie hatte die selben Gedanken, das sah ich.

Wir kannten uns noch nicht lange und doch verstanden wir einander. Ich verstand alle, nur Fenja nicht. Nie würde ich es verstehen, warum man sich Schmerzen und Leid in die Haut ritzte. Wie ein Buch, das das Leben erzählt. Nur das man anstatt einer tintengetränkten Feder ein blutgetränktes Messer in der Hand hält. Auch die Schrift ist unlesbar und rot, statt blau oder schwarz.
Und doch hat beides ein Ende, sowohl der letzte Atemzug, als auch das letzte Kapitel waren so gleich.
Und doch würde ich es nie verstehen...

Schließlich riss ich mich von Anica los und rannte zur Tür. Jana folgte mir sofort und die Pflegerin musterte uns kurz. Doch ehe sie etwas sagen konnte, waren wir aus dem Zimmer. ,,Treppen", rief ich Jana zu und nahm sogleich die ersten Stufen. Ab dann hieß es nur noch rennen und hoffen schneller zu sein.
Schneller als die kalte Wut des Todes.
Schneller als eine Suizidgefährdete.
Schneller als Fenja.

Doch schon bald fiel mir das Atmen immer schwerer. Ich aß zu wenig um fit für soetwas zu sein. Zum ersten mal fragte ich mich, wann Fenja überhaupt mal etwas aß. Auf jeden Fall war auch sie geschwächt, aber wir mussten schneller sein. Jana hinter mir hastete an mir vorbei und ich erkannte erst jetzt, das wir auf Station 13 waren. Die letzte Station vor dem Dachgeschoss. Ein großes Schild neben der Treppe verriet, wohin man dort kam: DG.
Dunkle Gedanken...
Dach Geschoss...

Ich sah kurz zu Jana, die kurz stehen geblieben war, so wie ich. Oben waren Schritte zu hören und sofort bekam ich neue Energie und rannte weiter, Jana wartete kurz, dann folgte sie mir.
Obwohl meine Lunge vor Schmerzen schrie, zwang ich mich weiterzurennen. Immer höher das Gebäude hinauf. Kurz glaubte ich unten weiter Stimmen mehrer Pfleger zu hören, doch sicher war ich mir nicht.

Plötzlich hörte man oben das Klacken einer Tür und ich blieckte hoch. Dort stand Fenja vor der letzten Tür und öffnete diese. Kurz sah sie runter und ihr Blick verdunkelte sich. Dann verschwand sie aus der Tür und ich nahm all meine letzte Kraft zusammen und rannte die letzten Stufen hoch. Jana hatte wieder aufgeholt und lief direkt hinter mir. Dann stieß ich die graue Tür auf und kniff die Augen zusammen.

Grelles Sonnenlicht blendete mich und ich blinzelte. Dann sah ich zu Seite und erkannte erstmals, wo wir waren. Es war ein flaches Dach aus grauem Stein. An den Enden waren zwei vermooste Fußballtore. Kurz musste ich nachdenken, wie lange dort niemand mehr gespielt haben musste. Zu lange.

Dann erst nahm ich den großen Maschendrahtzaun wahr, der das komplette Dach abgrenzte. Er war gut drei oder vier Meter hoch und von stitzen Stacheln gesäumt. Er umfasste das gesamte Dach und plötzlich fühlte ich mich mehr denn je gefangen. Der Zaun schrie mich grade zu an, wie anders ich war und das man mich hier halten musste, weil ich etwas hatte, das ich nicht allein in den Griff bekam.

Plötzlich hörte ich ein leises Knacken hinter mir und sah dort Fenja. Sie stand vor dem Zaun, während ihr T-Shirt in der Sonne zu glühen schien. Kurz drehte sie sich um. Ich musste den Blick von ihren traurigen Augen abwenden und sah stattdessen zum Rand des Zaunes. Sie würde es nicht versuchen, die Stacheln würden ihren Körper zerschneiden, bevor sie drüber war und springen konnte.
Doch genau in diesem Moment bagann sie sich den Zaun hochzuhangeln, denn jemand, der weiß, das er danach sterben kann, seinen Wunsch erfüllen, den hällt nichts auf. Vorallem dann nicht, wenn der Körper schon von unzähligen Wunden und Narben gezeichnet ist.
Denn Schmerzen kannte Fenja zu gut, das wusste ich...

Psychiatrie - Lasst uns zusammen sterbenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt