Kapitel 191

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PoV Ancia

Es war bestimmt lange nach Mitternacht als Nina und Anna Janas Zimmer verließen. Unsere Gespräche hatten bestimmt alle Themen abgedeckt, über die man reden konnte. Zumindest schien es mir so.  Aber vor knapp fünf Minuten und hatte uns gesagt, wir sollen Schluss machen. Nina und Anna waren bereits gegangen, aber ich würde das noch nicht tun. Ich wollte diese letzte Nacht genießen, wieder, genau wie damals. Und jetzt saß ich neben Jana auf ihrem Bett und wir sahen hinaus in die tiefschwarze Finsternis. Der Mond war hinter einer dicken Wolkendecke verborgen, aber doch schien diese Nacht heller als die Meisten. Hell vor Hoffnung.

,,Ich werde dich vermissen", meinte Jana und legte den Kopf auf meine Schulter, ,,Und dieses aus der Seele reden, wenn ansonsten Stille herrscht." Ich nickte und strich mir durch die Haare. Dann gähnte ich kurz und musterte einen der Bäume am Hang neben dem Parkplatz dieser Klinik. ,,Ich dich auch. Aber du kannst hier kurz raus und in eine neue Klinik. Ich glaube du hast in diesem Punkt mehr Glück als wir alle", flüsterte ich fast und stellte mir kurz vor, wie ich als Kind immer auf solche Bäume geklettert war. Aber das war so lange her, dass sie Erinnerungen schon verblasst waren.

,,Es wird komisch sein. Und anders werde ich mich immer fühlen...", Jana hob den Kopf und sah mich kurz an. Dann glitt ihr Blick wieder in die Nacht hinaus. Ich wusste, was sie meinte. Wir würden immer anders bleiben, uns so fühlen, egal wie viel sich änderte. Im Herzen würden wir immer an diesen Ort erinnert werden, ein Leben lang. ,,Du wirst es nicht mehr versuchen, oder?", diese Frage traf mich wie ein Pfeil mitten in duie Brust und kurz war ich einfach nur sprachlos. Irgendwie schien auch dieser Versuch weit hinter mir zu liegen...

,,Nein", vielleicht zögerte ich etwas zu sehr, aber es war nun einmal die Wahrheit. Niemand kannte schließlich die Zukunft. Niemand wusste, was in einem Jahr in mir vorging. Aber vermutlich wusste Jana das. Sie nickte kurz und trotzdem spürte ich ihre Unsicherheit, irgendwie. ,,Es tut mir immernoch Leid, wegen damals...", began ich zögerlich, aber Jana lächelte nur. Und ich brach irritiert ab. ,,Ich weiß das, aber ändern kann das niemand. Auch du nicht mehr", sie sah wieder nach Draußen, aber dieses mal schien sie weit fort zu blicken. Gedankenverloren. Und ich konnte ihr dorthin nicht folgen, nicht in ihre Gedanken.

Ich vermisste die Drogen nicht wirklich, aber irgendwie schien es mir so, dass auch nur der Satz daran, sie genommen zu haben mich zurück bringen würde. Und das war der Grund gewesen, warum ich es vermutlich wirklich getan hatte, damals. Es versucht hatte zu beenden. Denn ich wollte diese Zeiten endlich vergessen und nie wieder anfangen. Ich fürchtete mich davor. Davor wieder dieser verdammten scheiß Sucht zu verfallen. Und manchmal schien mir der einzige Ausweg nun einmal der Tod. Auch wenn es im Moment besser wurde, wusste niemand, was kam. Man konnte nur hoffend in die Zukunft starren und doch nichts finden.

,,Vermisst du Charlotte?"; wechselte ich einfach das Thema und Jana nickte. Aber weiter sagen tat sie nichts. Anscheinend war das jenes Thema, über das sie nicht reden wollte. Und das verstand ich. Irgendwo und irgendwie. Und doch nagte Schuld an mir, wegen unseres Streites. Ich hatte Jana beinahe verloren, eine gute Freundin. Die Beste, die ich seit langem gehabt hatte. Und der Gedanke sie morgen gehen lassen zu müssen schmerzte, auch wenn es besser war und wir es von Anfang unserer Freundschaft an gewusst hatte, dass wir uns trennen würden müssen, wenn es uns "besser" ging. Aber doch war es ein komisches Gefühl.

Psychiatrie - Lasst uns zusammen sterbenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt