Kapitel 29

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PoV Jana

Ich starrte in die Leere. Mein Gesicht war Tränennass und von Hass und Wut gezeichnet. Am liebsten wäre ich einfach eingeschlafen und nie wieder aufgewacht, aber ich wusste; das ich es sofort bereuen würde. Erst als die Sonne aufging, sah ich zum ersten mal zum Fenster und in die blutrote Kugel, die man von hier nur allzu gut sah, da Charlotte und ich das letzte Zimmer des Ganges hatten.
Charlotte war immer noch sauer und hatte erst gar nicht gefragt, warum ich einfach nur dalag und vor mich hin starrte. Ihr waren die Tränen und der Hass in meinen Augen egal gewesen. Ich war egal gewesen...

Leise zog ich mich um und verließ das Zimmer. Dann ging ich durch die schlafende Station und runter zum Essraum. Es war komisch diese fast menschenleere Mauern zu sehen, wenn dort niemand unterwegs war. Irgendwie machte es mich nur noch trauriger. Unten war natürlich niemand. Warum auch? Alle schliefen noch.

An meinem Platz setzte ich mich einfach und sah auf die leeren Tische und Stühle. Leer...
Erst eine halbe Stunde später kamen die ersten Pfleger und musterten mich kurz. Aber niemand sprach mich an und ich wusste warum: Zu oft saß ich hier und ordnete nachts meine Gedanken, wenn ich Charlotte nicht stören wollte.Außerdem mochte ich es manchmal einfach lieber allein zu sein. Allein mit mir selbst, denn nur so ertrug ich meine Gedanken manchmal.

Schließlich kamen die anderen Jugendlichen und begannen mit dem Frühstück, während ich einfach wartete. ,,Was ist los, Jana?", zwei Arme schlangen sich um mich und ich sah hoch, direkt in Anicas Gesicht. Fast war ich mir sicher lange Schatten dort zu sehen. Nein, Anica ist gesund. Sie gehört hier nicht hin.
Anders als du...
Ich wandte den Blick ab und versuchte verzweifelt nicht in Tränen auszubrechen. Sanft strick Anica über meine Haare, wie so oft. ,,Sie wollen mich verlegen. Sie denken ihr macht mich kaputt. Aber ich brauch euch doch!", brach ich hervor und schließlich überschlug sich meine Stimme.
Ich sah, wie Anica sich neben mich setzte und mich musterte. Dann nickte sie:,,Aber das stimmt nicht, oder?" Diese Frage war vorsichtiger, als ich Anica kannte. Ich nickte schwach und sah auf den Boden.

Plötzlich stand Anica auf und legte ihre Hände in ihre Jackentaschen. ,,Bleib stark", sagte sie dann und drehte sich um. Ich sah erschrocken zu ihr:,,Wohin gehst du?!" Sofort schlug ich mir die Hände auf den Mund. Jeder durfte hier dorthin gehen, wo er wollte. Warum fragte ich sie überhaupt?
Weil sie dich versteht und du gerade jetzt Trost und Verständniss brauchst!

Sie lächelte:,,Mir gehts nicht so gut..." Es sah so falsch und verstellt aus und doch nickte ich nur. Anica konnte man vertrauen, ihr ging es nun mal nicht gut. Trotzdem sah ich ihr nachdenklich nach und spielte mit den Löffel vor meinem Teller. Anica hatte mich irgendwie etwas aufgemuntert. Wie schaffte sie das bloß immer wieder?

,,Morgen", begrüßte mich Anna und gähnte. Dann setzte sie sich und musterte verdutzt die leeren Stühle:,,Wo sind die anderen?" Ich zuckte bloß mit den Schultern und sagte dann:,,Nina war ja seit gestern nicht da und Anica gehts nicht gut." Anna nickte und streckte sich. Niemand von uns machte sie Sorgen um Nina. Schließlich hatte sie den Streit begonnen und sie war nun mal spezial. Wir alle waren das.

Manchmal hatte ich das Gefühl, das man uns hier alle nur ertrug, weil uns sonst niemand wollte. Weil wir alle anders waren und nicht normal, so wie man sein sollte. Wir hatten psychische Probleme, aber das war nichts neues. Wir sind nicht normal. Ich bin nicht normal...aber was ist schon normal?

Psychiatrie - Lasst uns zusammen sterbenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt