Kapitel 21

340 26 4
                                    

PoV Fenja

Ich zog meine Kapuze tief ins Gesicht, dann setzte ich mich auf mein Bett und zog die Beine an den Körper. Meinen Kopf lehnte ich an die Wand und starrte aus dem Fenster.

Wann durfte ich endlich sterben?
Wann würde ich es endlich schaffen?
Wann durfte ich endlich diese Schmerzen und all das Leid loswerden?
Ich betrachtete den nutzlosen Verband an meinem Arm. Am liebsten hätte ich gelacht, als ob mir soetwas helfen würde. Aber ich würde nicht lachen. Nie wieder.

Ich betrachtete die Narben an meinem Körper. Immer tiefer, immer schmerzhafter. Aber die Tür zu Freiheit blieb verschlossen, also musste ich sie aufschneiden. Und irgendwann würde es klappen, egal wie viele verfluchte Versuche noch. Einer würde klappen.

Meine Augen wanderten zu einem der Häuser dort draußen. Dort war man glücklich. Keine Gedanken, keine die nur Dunkelheit und Trauer wollten. Kein Schmerz war dort draußen. Und doch wollte ich nicht dorthin. Mein einziger Wunsch war deutlicher, schrie es mir in meinen Körper, durchflutete mein Blut und malte Bilder vor meine Augen.
Bilder von Blut.
Bilder von Dunkelheit.
Bilder von Schmerzen.

Ich würde nie wieder glücklich werden, also warum ließ man mich nicht gehen? Niemand mochte mich und das zu Recht. Ich war depressiv und würde keinen Versuch unversäumt lassen hier raus zu kommen. Fort, für immer. Es klingt vielleicht grausam, aber niemand braucht mich. Niemand braucht ein Mädchen, das sich unter einer schwarzen Kapuze verbirgt, weil die Gedanken sie sonst zu Boden drücken. Weil sonst alles schreit, wie scheiße sie ist und das sie endlich gehen soll.
Weil dort nur sie ist, das was sie am meisten hasst und vernichten will. Weil sie sich mehr hasst, als sie irgendjemand je hassen könnte. Weil sie schon lange zerschnitten ist und man sie trotzdem zum Leben zwingt, während sie innerlich immer weiter stirbt. Nur Äußerlich ist sie noch da. Ein vernarbter Körper mit schwarzen Gedanken gefüllt.

Ich sah auf meine Hände. Vernarbt, wie alles an mir. Dann wanderte mein Blick kurz zu dem Bett von Anna. Sie tat mir Leid, nicht weil sie hier war. Sondern weil sie mich ertragen musste, obwohl ich mich selber nicht ertrug.

Kurz sah ich wieder Nina vor mir, wie sie sich auf mich stürzte und mir die Luft abdrückte. Es war nicht das erste mal gewesen. Das letzte mal hatten wir beide zum Schluss am Ende der Treppe gelegen. Blutend und jeder nur noch mit Energie um Schmerzen zu haben. Ich hätte wieder gerne gelächelt.
Aber das hatte ich fortgeworfen, verloren weit weg von hier. Es hatte mich schon lange verlassen. Dafür hatte Trauer und Schmerz diese Leere gefüllt. Hatten Schatten über mich geworfen und hielten mich fest. Ihre Hände waren eiskalt und doch vertraut. Wie die Hände eines alten Freundes, den man erneut begrüßt, nach langer Zeit.

Schließlich stützte ich meine Ellenbogen auf die Knie und legte meinen Kopf darauf. Ich sollte nicht mehr hier sein. Ich sollte schon lange fort sein. Ich wollte mich auf dem Boden liegen sehen, von Blut verdeckt. Die Kapuze endlich ablegen und frei sein.
Und dann umschlungen mich die Schatten erneut; wie immer. Nur Freiheit würde sie besiegen können.
Und Freiheit ist Suizid...

Psychiatrie - Lasst uns zusammen sterbenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt