Kapitel 67

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PoV Anica

Ich betrachtete das Essen vor mir, jede einzelnde Kartoffel und schob das Tablett dann von mir weg. Ich schluckte und sah zur Decke. Es war nicht so, das ich hungern wollte, nein. Es war nur so, das meine Gedanken nur noch dunkel und schwarz waren. Mir meine Fehler in Bildern zeigten und mich damit quälten. Sie zeigten mir immer wieder, wie ich sterbend am Boden lag und mir das Blut den Arm hinunterlief. Sie zeigten mir den Tod, wie er mir seine Hand entgegenhielt um mir aus dem Leben aufzuhelfen. Wie er mich anlächelte mit seinem falschen Lächeln. Wie er mich freundschaftlich musterte und mir sacht mit den einsigen Fingern durch die Haare strich. Mein Blut einfach fortschaffte und mir die Schmerzen aus meinem Herzen nahm. Als Gegenleistung hätte ich nur seine Hand ergreifen müssen, mich hochziehen lassen und ihm folgen. Ein letzter Blick in mein Leben und mich dann davon abwenden. Einfach hinter ihm hergehen, ohne Sorgen und Schmerzen. Aber dann für immer...

Ich zischte auf bei diesen Gedanken und atmete einmal tief durch. Dann steich ich mir durch meine schulterlangen blonden Haare und versuchte die Angst zu unterdrücken. Angst vor der Dunkelheit und dem Ungewissen, was in den Schatten der Zunkunft lauerte. Wie eine schwarze Katze, tief in den Schatten wartete sie darauf, das ich zu weit in die Schatten trat und mich dann angriff. Ohne Chancen dort je wieder rauszukommen. Ich seufzte tief und beruhigte mich. Warum machte mich mein Ich so fertig? War ich schon so schwach? Ich wusste es nicht... Eigentlich hatte ich keinen Grund mich vor der Freiheit und einem alten Bekannten in den Schatten zu fürchten. Aber niemals wollte ich dort für immer sein, nie wieder atmen können. Immer nichts fühlen und egal wie schlimm und dicht die Gedanken waren, irgendwie brauchte ich sie doch...

Schließlich nahm ich mir eine der Kartoffeln und kaute lustlos darauf herum. Lust auf Station 4  zu enden hatte ich wirklich nicht, vor allem so auszusehen wie einige dort war Grund genug es zu lassen. Manchmal hatte ich das Gefühl, das man Anna ihre Krankheit nicht ansah und an anderen Tagen wunderte ich mich, wie sie so leben konnte. Wir hatten zwar alle unsere Macken, aber magersüchtig zu werden stellte ich mich vermutlich nach Suizid am schlimmsten vor. Und plötzlich empfand ich nur noch Mitleid. Mitleid für Anna, das sie so leben musste, denn freiwillig wollte niemand so leben.

Ich betrachtete meinen Arm und den Verband. Dieses Leben war zwar auch nicht schön, aber ich durfte weiterleben. Musste nicht immer Angst haben, dass meine Gedanken die Kontrolle gewannen. Nur einmal hatte ich sie verloren, aber nie wieder würde es passieren. Ich wollte hier mehr denn je raus, einfach ein normales Leben führen. Ohne die Angst jeden den ich kannte das letzte mal zu sehen... Ich wollte wieder allein mein Leben führen, ohne Psychologen und Ärzte. Normal sein. Ich hatte mir dieses Leben nicht ausgesucht, aber ich würde nun mehr denn je kämpfen. Für mein Ich und gegen diese scheiß Gedanken.

Mein Blick glitt zum Fenster und ich sah durch die falsche Scheibe. Es war kein echtes Glas, nur eine Täuschung. Warum war so vieles hier nicht echt? Warum lebte man hier in einem Ozean aus Lügen und Hoffnungslosigkeit?
Ich schüttelte den Kopf. Vielleicht sollte ich mir doch einfach wieder ein Messer nehmen und mein Ich beenden. Diese Gedanken... Sofort wollte ich mich selber schlagen. Niemals wieder, ich musste endlich wie eine Löwin kämpfen, nicht wie ein ein verschrecktes Reh...
Dann schloss ich kurz meine Augen und beruhigte mich. Als ich sie wieder öffnete, fiel mein Blick auf den unverletzten Arm und ich strich über die kleinen Narben. Zeugen, wie sehr ich die Freiheit gebraucht habe...

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Okay, Anica kommt im nächsten Kapitel auch endlich von der Krankenstation. ;)
LG

Psychiatrie - Lasst uns zusammen sterbenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt