Kapitel 135

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PoV Anica

Ich saß nachdenklich und lustlos vor meinen Teller und stocherte in dem Berg aus Nudeln herum. Hunger hatte ich überhaupt nicht, warum wusste ich auch nicht. Ich seufzte und ließ die Gabel sinken. Dann trank ich einen Schluck Wasser und sah zur Tür zum Essraum. Gerade wollte ich einfach aufstehen und gehen, als Nina den Raum betrat. Sofort erhellte sich mein Gesicht, auch wenn ihr Gesicht merkwürdig verdunkelt und ernst wirkte. Sie sah sich kurz um, warscheinlich nach Kinnie. Aber die hatte bereits gegessen, dass hatte ich gesehen. Dann ging sie zielstrebig auf unseren Tisch zu.

,,Hi", sagte sie monoton und lächelte falsch. ,,Hey, wie geht es dir?", fragte ich schnell, während sie sich setzte. ,,Ganz okay", brachte sie stockend über die Lippen. Dann strich sie sich durch die Haare und holte tief Luft. Ihr Lächeln war verschwunden. ,,Ich war gerade bei Anna", began sie und sah mir tief in die Augen. Ich nickte und wusste wirklich nicht, was sie dann so fertig machte. ,,War ich auch schon. Schön, dass sie wieder isst, nicht wahr?", ich zwinkerte ihr zu, aber sie schien das gar nicht richtig wahrzunehmen. Trotzdem lächelte sie kurz wieder:,,Echt?"

Ich nickte und dann wurde mein Gesicht auch ernst. ,,Was ist?", ich musterte sie kurz. Sie seufzte wieder und schloss die Augen. ,,Ichre Eltern sind gestorben und jetzt hat Anna einen Schock erlitten", stieß sie langsam hervor und öffnete ihre Augen wieder. Ihre Worte trafen mich wie ein Schlag und ich spürte, wie sich mein Atem beschleunigte. ,,Oh Gott", war das einzige, was ich sagen konnte und Nina nickte bloß. Währrendessen füllte auch sie sich ein paar Nudeln auf und einen Löffel Soße. Dann aß sie eine Gabel voll und seufzte wieder. ,,Es tut mir einfach nur unglaublich Leid für sie", ihr Blick traf meinen.

,,Das stimmt, erst das Koma und jetzt das. Wann warst du denn bei ihr?", fragte ich dann und schluckte. Sie zuckte mit den Schultern. ,,Vor ein paar Minuten vielleicht", antwortete sie nach kurzem überlegen. Ich sah auf die weiße Uhr über der Tür. Vor knapp zwei Stunden war ich bei ihr gewesen. Sie musste die Nachricht also kurz danach bekommen haben. ,,Wo ist eigentlich Jana", fragte Nina beiläufig und vermutlich auch um sich abzulenken. Diese Frage traf mich fast noch mehr und ich versuchte möglichst gleichgültig mit den Schultern zu zucken. ,,Keine Ahnung", sagte ich einfach.

Nina aß einfach schweigend weiter und musterte mich nur ab und zu. ,,War Kinnie schon hier?", fragte sie dann und ihre Stimme klang kalt. Ich nickte und schwieg. All diese Eindrücke wirkten immer noch auf mich und ich hatte das Gefühl dazwischen zu versinken. In eine bodenlose Leere ohne Ende.
,,Wann kann man Anna wieder besuchen?", fragte ich dann, aber Nina zuckte bloß mit den Schultern. Dann ließ sie die Gabel sinken und trank ihr Glas leer. ,,Ich hab jetzt Therapie, bis später", sagte sie und stand ohne weitere Worte auf. Etwas verwirrt nickte ich und starrte auf meinen immer noch vorhandenen Nudelberg.

Ich hatte immer noch keinen Hunger, konnte nur an Anna denken. Niemandem würde ich soetwas wünschen. Selbst Kinnie nicht. Das Verhältniss zu meinen Eltern war zwar nicht gerade das beste, aber doch meine Familie und mein Zuhause. Eine Art Rückzugsort. Falls ich hier irgendwann mal rauskam. Obwohl ich in letzter Zeit wirklich keine Probleme mehr hatte. Mein Drogenproblem war eigentlich komplett weg und suizidal war ich erst recht nicht. Eigentlich lebte ich nur noch hier und wartete darauf, dass sich etwas änderte. Und vielleicht darauf, dass die anderen hier rauskamen und ich wusste, dass es ihnen gut geht. Aber mehr war da auch nicht mehr... Sinnlose Tage halt...

Psychiatrie - Lasst uns zusammen sterbenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt