Kapitel 87

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PoV Nina

Ich ging den Flur zu meiner Station entlang und seufzte kurz. Aufgehört die Male zu zählen, die ich an die weißen Wände zu starren und irgendeinen Sinn zu finden, hatte ich schon lange. Irgendwann vergaß man, wie oft man diesen Weg ging und wie dunkel die Gedanken wurden. Man vergaß die ganze Trauer und Wut, weil man hier war. Jede Bewegung war nur noch mechanisch und jeder Schritt ein Schritt der Finsternis entgegen. Jeder Atemzug hier war ein weiterer, der zeigte, wie lange man schon hier war. Und es war zu lange, kaum noch Erinnerungen, weil die Gedankem sie verdrängt und zurückgewiesen hatten.

Ich betrat das kleine Zimmer und musterte Lynn kurz, die auf ihrem Bett saß und in einem Buch blätterte. Sonderlich interessiert oder begeistert sah sie nicht aus, auch wenn ihre Augen hektisch über die kleinen Buchstaben glitten. Ich schloss die Tür, lehnte mich dagegen und beobachtete sie kurz. Vor nicht allzu langer Zeit hätte ich ihr jetzt das Buch aus der Hand gerissen, es ihr an den Kopf geschlagen um die Welt zu verstehen. Den Hass und die Wut abzubauen, Lynn leiden zu sehen und selbst in Schmerzen versinken...Aber diese Zeiten sind vorbei!

Plötzlich sah Lynn auf und kurz war ihr Gesicht merkwürdig kalt und abweisend. Aber dann entspannte es sich und sich lächelte schief. Die blonden Haare fielen ihr ins Gesicht und sofort strich sie sich diese hinter die Ohren. Ich erwiderte kurz das Lächeln. Aber ich zögerte, so ungewohnt war diese Situation immer noch. Dann stieß ich mich von der Tür ab und ging zu dem Stuhl am Tisch. Leise schob ich ihn zurück und setzte mich darauf. Mein Blick glitt zu Lynn zurück. Sie war wieder in ihrem Buch am Lesen und ihr Gesicht wurde wieder nachdenklich und so merkwürdig verkrampft.

,,Was ist los?", fragte ich dann und versuchte aufmunternd zu klingen. Lynn sah kurz auf und schien verwirrt. Dann zögerte sie wieder und legte dann das Buch aufgeschlagen neben sich. Ich musterte sie kurz und innerlich spannte ich mich an, warum wusste ich nicht. Dann drehte sich Lynn zu mir und ihr Gesicht war voller Sorge und auch ein wenig hoffnungslos. ,,Weißt du noch, wer Kinnie ist?", fragte sie dann und seufzte kurz. Ich stockte und spürte, wie sich eine unangenehme Kälte in mir einnistete. Ich kannte Kinnie gut, zu gut, zu viele Streitereien, zu viele Wunden und Worte.

,,Was ist mir ihr?!", fragte ich und biss meine Zähne aufeinander. Dann sog ich scharf die Luft ein und sah Lynn wieder an. Diese nickte und sagte dann zerknirscht:,,Ich habe sie heute wieder gesehen, sie ist also wieder auf unserer Station..." Ich schluckte und nickte dann langsam. Fast hätte ich gelacht, so unlogisch klang das Ganze. ,,Also ein Rückfall?", fragte ich dann und versuchte meine Stimme ruhig zu halten, obwohl sich wieder die bekannte Wut in mir bildete. Lynn nickte wortlos und senkte dann den Kopf:,,Wir wissen beide, dass es nicht gut ist, das sie hier ist. Vor allem grade jetzt, wo sich unser Streit legt..."

Ich nickte und erst jetzt verstand ich warum Lynn so angespannt wirkte. Wenn Kinnie wieder Streit beginnt, dann ist das für uns alle schlecht!
Ich erinnerte mich nur zu gut an das braunhaarige Mädchen, dass nicht selten die Pflegerinnen angriff, wenn dort niemand anderes zum Abreagieren war. Es waren keine wirklichen Agressionensprobleme, das wusste ich. Eher der Wunsch nach Macht und Stärke, der sie dazu brachte. Jedes Wort; dass man sprach schien falsch. Und dieser Ort war kein guter für Kninnie!
Eigentlich hatte ich gedacht, dass wir uns nie wieder sehen würden, aber mittlerweile hatte ich mich wohl geirrt. Niemand kann leben, wenn einem der Mut immer wieder genommen wird die Schwärze zu verlassen und ins Licht zu gehen. Warum ist ein Schritt nur so unglaublich schwer und anstrengend...so unmöglich?

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Sorry, dass die letzten Kapitel so langweilig waren, aber ich hatte totalen Stress diese Woche und kaum Zeit für Wattpad.
Aber ab dem Wochenende wird es wieder spannender, versprochen!
LG
FantasySoja

Psychiatrie - Lasst uns zusammen sterbenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt