Kapitel 197

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PoV Jana

Ich betrat hinter Anica den Essraum und sofort überrollte mich die Traurigkeit. Dies würde das letzte mal sein, dass ich hier war. Zusammen mit den Anderen einfach nur zusammen sein und mich einmal wie ein normaler Mensch fühlen. Aber tief im Innersten wusste ich es auch, dass es den Meisten hier viel schlechter ging und ich war froh darüber nicht mit Depressionen oder einer Sucht kämpfen zu müssen. Auch wenn ich die Erinnerungen hasste, diese scheiß Erinnerungen, die einen psychisch fertig machten, hatte es ein Gutes: Es brachte einen nicht unbedingt um. Vielleicht die Psyche, aber eben nicht gleich das alles.

,,Was macht Fenja denn jetzt hier?"; fragte Anica und blieb stehen. Ich sah an ihr vorbei und musterte die blonde Gestalt im weißen T-Shirt, die mit gesenkten Kopf an unserem Tisch saß. Zwei Pflegerinnen gingen gerade von ihr weg, ließen sie aber nicht aus den Augen. Fenja sah ihnen nicht einmal nach, fasste sich nur kurz an den Hals und verzog das Gesicht. Ich hatte Fenja nie wirklich leiden gekonnt. Aber gerade war es mir egal. Ich ging an Anica vorbei und setzte mich auf meinen Platz. ,,Morgen", sagte ich kurz und sah zu, wie Anica sich neben mich setzte.

,,Und, habt ihr wirklich zusammen bei dir im Zimmer geschlafen, ohne das die das gecheckt haben?", fragte Nina sofort und grinste. Ich nickte und Anica kommentierte es mit einem "Die sind halt bescheuert". Anna lächelte, aber ihr Blick glitt kurz zu Fenja und ich folgte ihm. Sie sah auf den Teller vor ihr, das Gesicht gleichgültig und die Augen dunkel. Zum ersten mal konnte man alle ihre Narben sehen. Am Hals stachen sie besonders hervor und auch ihre Arme waren bis zum T-Shirt gänzlich übersäht. Ein Verband war um beide Handgelenke geschlungen und ein weiterer wand sich um ihren linken Oberarm.

,,Wann holen dich die Leute der anderen Klinik ab?", fragte Nina mich schließlich. Ich sah kurz auf die Uhr. Es war halb acht. ,,Gegen eins, glaube ich. Vorher muss ich aber noch einmal zu meiner Psychologin, so nen paar Sachen besprochen", antwortete ich dann und schmierte mir ein Brötchen. Nina nickte, danns chwiegen wir alle. Fenja legte ihre Arme auf dem Tisch ab und fuhr mit den Fingern an ihrem Glas entlang. Ihr Blick glitt kurz zu den Pflegerinnen, die sie aufmerksam musterteten. Dann seufzte sie kurz und heftete ihren Blick wieder auf das Glas vor ihr.

,,Wird sicher komisch ohne dich werden", sagte Anna und musterte mich. Ich biss von meinem Brötchen ab:,,Ohne euch wird das noch schlimmer. Hoffentlich sind die da auch wie ihr." Der Gedanke dort wieder so alleine zu sein, wie damals, als ich hier neu war, bereitete mir ungewollt Überlkeit. Schnell verdrängte ich den Gedanken. Ich hatte Anic adurch Joelyn gefunden und seitdem war ich nicht mehr alleine gewesen. Und dafür würde ich ihnen immer dankbar sein: Für diese enge Freundschaft. Durch die Anderen, vorallem Anica, hatte ich die Meisten Erinnerungen überwinden können und wieder Lachen können. Der gestrige Tag hatte es mir gezeigt.

Fenja sah kurz auf, dann stand sie auf und blieb so stehen. Sie schloss kurz die Augen, dann öffnete sie diese lagsam wieder:,,Viel Glück, Jana." Die heisere und gebrochene Stime war von Traurigkeit belegt und mein Herz zog sich kurz zusammen bei ihren Worten. Dann nickte sie mir zu und humpelte zur Tür. Die Pflegerinnen folgten ihr sofort, aber Fenja ging nicht schneller. Das verletzte Bein ihres Selbstmordversuches zog sie leicht nach. Die Arme wie bei einem Schwerstverbrecher zusammengebunden. Den Kopf gesenkt. Die Narbe an den Armen deutlich zu erkennen. Die Geschichte zu lesen. Und zum ersten mal wurde mir bewusst, wie gebrochen Fenja war, wie sehr sie täglich starb. Danke, Fenja...dir auch viel Glück...


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Frohe Weihnachten...:)




Psychiatrie - Lasst uns zusammen sterbenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt