Kapitel 120

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PoV Fenja

Ich lehnte mich an die Wand und presste meinen Kopf dagegen. Mein gesamter Körper schmerzte und ich hatte das Gefühl, meine Beine würden einfach nachgeben und ich in eine bodenlose Tiefe sinken. Ich senkte den Kopf und zog mir mir der linken Hand die Kapuze über. Dann sah ich wieder hoch und musterte Frau Tölke vor mir. Sie redete mit einer anderen Pflegerin. Aber ich hörte kaum hin. Ich schob mir die Ärmel bis zu den Ellebogen hoch und ließ meine Hände dann in die Tasche des Hoddies sinken. Dann sah ich wiedee zur Decke und hasste mich dafür noch zu leben.

Vor knapp einer Stunde hatten sie mich gefunden und seitdem redeten alle nur noch und ich musste hier an der Wamd im Flur lehnen. In mein Zimmer durfte ich nicht, sie wollte es durchsuchen. Aber sie würden nichts finden, nichts, was sie suchten. Und dieses eine mal verstand ich, warum ich nicht gerne redete. Weil sowieso niemand zuhörte. Die einzige, die das getan hatte, war dank ihnen tot...
Aber ich verwarf die Gedanken daran, ich musste stark bleiben. Hatten wir uns das nicht versprochen, dass- Ende!
Ich wandte meinen Blick zum Boden und verdrägte die Gedanken einfach.

,,Wo warst du?", hörte ich plötzlich Frau Tölkes Stimme direkt neben mir. Ich wandte den Kopf und sah ihr in die Augen. Aber ich schwieg, senke bloß wieder den Blick und biss mir auf die Lippen. Sie würden es nicht verstehen, warum sollte ich reden? Ich hatte immer geschwiegen und vermutlich war es das, was mich prägte. Meine Narben waren meine Geschichte und mein Schweigen meine Gegenwart. Meine Zukunft war dunkel und traurig. Und vielleicht endete sie bald schon. Das Ende eines sinnlosen Lebens zwischen Trümmern und Scherben. Schmerzhaft und gezeichnet von unzähligen dummen Worten, die niemand brauchte. Darum schwieg ich lieber.

Frau Tölke wartete kurz, dann seufzte sie und schien nachzudenken. ,,Warum redest du nie mit uns? Es wäre für beide Seiten leichter. Du willst doch auch endlich deine Suizidgedanken ablegen, oder?", fragte sie dann und ich zuckte zusammen. Aber ich verbarg es. Sie hatte etwas getroffen, was sie nicht hätte tun sollen. Denn wer wollte nicht im Innersten ein normales und glückliches Lebdn haben. Aber so würde es nie mehr sein. Zumindest für mich. Dazu war es zu spät, auch wenn es niemand verstand. Nur noch der Tod konnte es heilen. Ich hatte lange gekämpft, obwohl es nichts zum kämpfen gab.

Als ich hier vor knapp zwei Jahren eingewiesen wurde, war ich noch lange nicht an dem Tiefpunkt, wo ich jetzt war. Mit der Zeit war das Grün in meinen Augen aber immer trister und trüber geworden. Sie Narben waren nur noch tiefer und gefühlskälter geworden und meine Gedanken dunkler. Der Sinn leben zu wollen hatte sich geämdert. An seine Stelle war der Wunsch nach dem Tod gerückt und hatte sich dort niedergelassen. Und hier würde ich es auch beenden, denn es gab nun einmal nichts, wofür ich hier rauskommen wollte. Nichts, was draußen auf mich wartete.

,,Ich will nur noch sterben...", flüstete ich und hörte bloß eine gebrochene und unterdrückte Stimme. Heiser und verzerrt. Eine Stimme, die niemand brauchte und nie gebraucht wurde. Frau Tölke musterte mich kurz, dann nickte sie. ,,Wir wollen dir helfen und-", began sie, aber ich blendete ihre Stimme aus. Ich war nicht so psychisch gestört um das nicht seit fucking zwei Jahren begriffen zu haben! Und mit dieser bescheuerten Stimme brauchte niemand ankommen. Und vor allem nicht diese Pflegerin, die auf mich wie auf ein Tier aufpasste. Ich war nicht so dumm um zu begreifen, was sie wollten. Aber ich wusste, was wirklich passierte, wenn man mir helfen wollte: Man zerstörte mich nur noch mehr!

Psychiatrie - Lasst uns zusammen sterbenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt