Kapitel 73

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PoV Fenja

Ich lehnte mich kurz mit dem Rücken und die Tür und legte den Kopf in den Nacken. Dann schloss ich die Augen und atmete tief durch. Ich wusste, was sie nun tun würden. Sie würden mich suchen und vermutlich auch finden. Aber ich musste es einfach versuchen, diesem Gegenstand endlich wieder an mich nehmen. Mich an etwas binden und dann konnte ich mir das Leben nehmen ohne Schuldgefühle. Loslassen und wissen, dass man es doch noch getan hatte. Es war der einzige Grund noch etwas länger leben zu wollen und die Gedanken kurz loszuwerden, die mir zeigten, wie ich es versuchte, immer wieder und doch noch lebte. Schwach.

Dann öffnete ich die Augen wieder und sah in die Dunkelheit des Zimmers. Ich schlich zu den Vorhängen und zog sie auf. Ein wenig Licht brauchte ich schon noch. Dabei fiel mein Blick auf das leere Bett von Anna. Erstaunt zuckte ich zurück und sah mich im Zimmer um. Kurz hatte ich Angst, im falschen Zimmer zu sein, aber die Nummer an der Tür war doch die selbe. Ich zog mir die Kapuze vom Kopf und sah mich verwundert um. Irgendetwas stimmte hier nicht und ich bekam ein merkwürdiges Gefühl.

Dann ging ich mit schnellen Schritten zum Bad und öffnete die angelehnte Tür. In der Dunkelheit glaubte ich die Umrisse eines Körpers auf den Fliesen zu sehen. Sofort verstärkte sich das Gefühl und ich drückte ohne nachzudenken den Lichtschalter. Sofort flutete Licht das Bad und ich blinzelte gegen das plötzliche Licht. Dann ging ich zu dem leblosen Körper auf den Fliesen und blieb davor stehen. Annas Haut war weiß und ihre Brust fast still. Fast glaubte ich, sie sei tot. Aber das schwache heben und senke ihrer Brust verneinte das, egal wie tot sie aussah. Wieder musterte ich die knochige Gestalt und kniete mich schließlich davor.

Anna sah friedlicher aus, als ich sie je gesehen hatte und strahlte eine gewisse Zufriedenheit aus. Und trotzdem wusste ich, dass es ihr nicht gut ging. Das ihr Körper bereit war sich dem Tod zu übergeben, ohne Gegenwehr. Ich streckte meine Hand aus und strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht. Diese Ruhe zog mich irgendwie an und ich wollte mich daneben liegen. Auch aufhören zu atmen. Mich dem Tod ausliefern und einfach hier auf den kalten Fliesen sterben. Aber ich konnte nicht, musste noch etwas tun. Eine letzte Tat, dann konnte ich es tun.

Schließlich erhob ich mich erneut und sah auf sie herab. Wenn ich jetzt ging, starb sie hier. Das wusste ich und dieses Wissen zerrte an meinem Herz. Ich musste etwas tun und davon sollte niemand je etwas mitbekommen, aber ich konnte sie nicht mit in den Tod nehmen. Egal wie sehr ich sie auch hasste; um sie würden Andere trauern, um mich nicht.
In meinem Inneren kämpften diese zwei Gedanken gegeneinander und kurz wurde mir schwarz vor Augen. Ich hatte etwas zu tun, etwas, was nicht länger warten durfte. Aber konnte ich damit sterben, jemand anderen mitzureißen?

Schließlich verließ ich das Bad wieder und ging in das Zimmer zurück. Das Licht aus dem Bad musste ausreichen. Ich sah kurz zu Anna, auf das schwache Atmen. Dann kniete ich mich vor mein altes Bett und schaute darunter. Leise hob ich das Gestell an und griff in den hohle Metallpfosten des Bettes. Die Kälte des Metalls ließ mich kuz frösteln. Aber dann hatte ich den Gegenstand und zog ihn hervor. Kurz betrachtete ich das Glitzern darauf, dann steckte ich ihn in die Tasche meines Hoodies.
Als ich das Bett herunterließ, atmete ich wieder tief durch und mein Blick fiel wieder ins Bad.

Ich durfte Anna nicht sterben lassen, ob ich es wollte oder nicht. Aber trotzdem musste ich noch etwas tun. Ich strich mir kurz über die Narben an meinem Hals und schloss die Augen. Entweder einer von uns starb oder wir beide. Sofort hielt ich inne und griff mir in die Tasche. Sanft fuhr ich mit den Fingern über die Kanten des Gegenstandes und dachte nach. Dann öffnete ich die Augen wieder und ging ins Bad. Wieder musterte ich Anna, wie sie das Leben verließ.
,,Egal, wie sehr ich dich hasse, mich selbst werde ich immer am meisten hassen und darum werde auch nur ich sterben", flüsterte ich und zog mir die Kapuze wieder tief ins Gesicht. ,,Es tut mir trotzdem Leid. Werd glücklich", dann atmete ich tief durch und ging zur Zimmertür. Dort hielt ich inne und schaltete dann mit einem Ruck das Licht an. Ein letzter Blick auf Anna und ich hasste mich schon jetzt dafür. Aber dann stellte ich mich doch in die offene Tür, schloss die Augen und wartete einfach so, an den Rahmen gelehnt und den Gedanken voller Hass. Hass für meine Taten. Schon hörte ich schnelle Schritte im Flur und atmete wieder tief durch.
Mein Leiden und meine Schmerzen gegen das Leben einer Magersüchtigen, die ich hasse. Aber mich werde ich immer mehr hasse. Trotzdem ist es schwach und das weiß ich...

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So, das war jetzt ein etwas längeres Kapitel als sonst. Hoffe ihr findet das okay.
LG

Psychiatrie - Lasst uns zusammen sterbenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt