Kapitel 166

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PoV Anna

Ich stand auf und verabschiedete mich kurz von den Anderen. Zum einen hatte ich keine Lust mehr über Fenja nachzudenken und zum Anderen hatte ich Therapie. Obwohl ich fast schon bezweifelte, dass es wirklich etwas brachte. Nina hatte schlimm ausgesehen. Anders, positiv, aber auch so viel trauriger als sonst. Ich war mir nicht einmal sicher, ob das an Lynn lag oder nicht. Aber in der letzten Zeit, ob ich sie bewusst erlebt hatte oder nicht, waren sie zusammengewachsen. Waren zwei Käpferinnen der selben Seite geworden. Voller Mut und Kraft. Stärker als Andere und bereit zu Kämpfen. Zwei Kämpferinnen...

Ich ging die Treppen hoch und versuchte einfach an nichts zu denken. Natürlich klappte es nicht, aber immerhin ging es mir so etwas besser. Eine abgemagerte Jugendliche mit braunen Haaren kam mir entgegen und ich musterte kurz die traurigen Augen. So mussten meine auch einmal ausgesehen haben, vor meinem Koma, vor der Zeit in Dunkelheit und Stille. Aber ich hatte es für meinen Teil überwunden, was die Psychologen darüber dachten, mussten sie selbst entscheiden. Aber vertrauen hatte ich nicht wirklich in sie. Ich vertraute nur noch mir selbst, meinem Ich und dem was es mir sagte, egal wie sinnlos es klang.

Ich betrat den Flur zu den Therapieräumen und meine Schritte verlangsamten sich. Eigentlich wollte ich nicht dorthin, über meine Problene und Gedanken reden. Es war besser, wenn sie bei mir blieben. Eingeschlossen in ein aufstehendes Herz, dass sich aus der tiefsten Schwärze ins Sonnenlicht kämpfte. Denn ich wollte hier einfach nur noch raus, egal wohin, bloß weg von diesem Ort, der mich daran erinnerte. Ich wollte nicht mit jedem Blick daran erinnert werden, dem Tod so nahe gewesen zu sein. Denn es war jede Dunkelheit gewesen, die mich dazu gebracht hatte anders zu denken. Positiv, aber auch negativ zugleich.

Vor meinem Therapieraum blieb ich stehen und atmete kurz tief durch. Dann klopfte ich an die Tür und wartete kurz. Schließlich öffnete ich die weiße Tür und betrat den Raum dahinter. Ebenso weiß, nur nicht so karg. Aber die Traurugkeit, die hier lag konnte nichts verdecken. ,,Hallo Anna", sagte meine Psychologin freundlich und ich nickte lächelnd. Dann setzte ich mich auf den Stuhl vor ihr. Sie selbst saß auf einem kleinen Hocker und hatte ihr rechtes Bein auf ihr linkes gestützt. Zum ersten mal hatte sie kein Klemmbrett auf ihrem Schoß. Und zum ersten mal schöpfte ich Hoffnung keine verdammten Fragen beantworten zu müssen.

,,Wie geht es dir?", fragte sie, als ich mich zögerlich hingesetzt hatte. Und da waren die Fragen wieder. Ich versuchte möglichst ruhog zu klingen, was mir aber nicht ganz gelang:,,Ganz gut." Zur Verstärkung lächelte ich noch. Zum Glück glaubte Frau Gruhn mir das. Trotzdem war es komisch, wie einfach man jemanden davon überzeugen konnte, alles wäre okay. ,,Ich habe gehört, du isst wieder beinahe normal?", fragte sie dann und ich nickte sofort. Dieses Gespräch ging in keine gute Richtung, das wusste ich. Frau Gruhn lächelte:,,Das freut mich und tut dir sicherlich auch besser."

,,Eigentlich hatten wir dir eine neue Zimmerpatnerin geben gewollt, aber dein jetziger Zustand ist sehr gut und wenn es so weiter geht, kannst du sicher auch bald in eine Tagesklinik wechseln", meinte sie und nickte mir zu, ,,Ich müsste nur noch mal mit deinen Elt-" Sie hielt inne und dieser Satz war es, den ich befürchtet hatte. Dieser Satz, der alles zum einstürzen zu bringen schien. Frau Gruhn lächelte entschuldigend und drehte sich kurz um. Sie kramte auf dem Tisch nach einer Mappe herum. Aber ich starrte einfach nur ins Leere, schien in ein Meer aus Tränen und Trauer zu schauen. Ich darf nicht wieder schwach werden...

Psychiatrie - Lasst uns zusammen sterbenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt