Kapitel 174

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PoV Jana

Es war da bloß Leere. Endlose Leere, seit Charlotte weg war. Kurz ließ ich mich von dem Nebel aus Stille und Traurigkeit einhüllen. Ließ die Leere sich auf meine Haut legen und sich dort mit Nadeln durch jede Facette meines Körpers nähen. Dann ließ ich mich einfach aufs Bett fallen und hörte auf die Tränen zu unterdrücken. Und trotz aller Tränen, die sich einen Weg über mein glühendes Gesicht suchten, herrschte diese verdammte Stille. Ich wollte schreien, sie durchbrechen und vergessen, was passiert war. Ein salziger Geschmack legte dich auf meine Lippen und ich starrte trotzdem weiterhin auf das leere Bett vor mir.

Ich hatte es doch gewusst, dass sie eines Tages gehen würde, denn jeder ging irgendwann. Warum zog es mich dann so runter? Vielleicht weil ich schwach war? Oder hatte ich einfach keine Kraft um mich dem Schicksal zu widersetzen? Ich wusste es nicht, kannte nur die Stille und Traurigkeit.
Es war lange her, dass ich mich so gefühlt hatte. Falsch. Kraftlos. Und Schwach. Damals hatte ich mehrere Gründe gehabt und trotzdem diese Leere gespürt. Ich war von meiner Familie umgeben und hatte mich trotzdem einsamer denn je gefühlt. Alleine trotz Menschen.

Ich wischte mir die Tränen mit dem Ärmel meines Pullis ab, stand auf und ging ins Bad. Ich stellte mich vor den Spiegel und starrte hinein. Auf mein verweintes und tränenbedecktes Gesicht. Wie sollte ich das nur aushalten, wenn morgen Anica von mir ging? Vermutlich würde ich daran zerbrechen, wie ein Glas, dass man aus Frust an eine Wand warf und es in tausend Scherben zersprang. Aber ich hatte immer Verluste ertragen können, hatte jede Scherbe gesucht und zusammengesetzt. Aber damals hatte ich das gemusst, sonst wäre ich jetzt vermutlich tot. Denn dann hätte ich mir einfach das Leben genommen, wenn der Druck zu groß geworden wäre.

Dann wäre ich jetzt tot, müsste keine Tränen mehr ertragen und wäre für immer in der Stille gefangen. So schlecht klang es doch gar nicht, wenn man bedachte, dass es dort in all der Schwärze keine Scherben zum zusammensetzen gab. Aber ich hatte es nun mal nie getan, weil ich das Leben trotz jedem Scheiß mochte und mittlerweile fast nur noch positives wahrnahm.
Ich musterte meine braunen Augen. Sie waren so viel farbvoller als damals, da waren sie matt und unscheinbar gewesen. Jetzt trat das Braun viel heller hervor und bildete Konturen, die ins dunkle übergingen.

Ein helle Seite in mir, voller Freunde. Und eine dunkle Seite, voller Traurigkeit und Schmerzen. Hatte Anica das nicht mal zu mir gesagt? Ich wusste es nicht mehr, obwohl diese Worte so merkwürdig vertraut klangen. Kurz überlegte ich einfach zu Anica zu gehen. Im Zimmer war sie bestimmt, da sie keine Therapie hatte. Aber dann ließ ich es. Ich wollte sie nicht damit stören, dass ich wieder schwach war, weil mich etwas verletzte. Dabei hatte ich gewusst, dass es passierte. Jeder hatte es gewusst. Und doch zerbrach es mir alles, legte einen Schleier aus Stille und Traurigkeit über mich.

Ich ging einen Schritt zurück und wischte mir erneut die Tränen weg. Weinen wollte ich nicht, hatte es nie gewollt. Aber manchmal kamen diese verdammten Tränen einfach, ob man es wollte oder eben nicht.
Dann verließ ich das Bad und ging in Richtung der Zimmertür. Aber am Türgriff hielt ich inne. Dann seufzte ich und ließ die Hand vom kalten Metall gleiten. Nein, nicht jetzt. Sonst würde ich zum Eingangsbereich gehen um doch noch Charlotte zu treffen und sie noch einmal zu umarmen. Und das ging nicht, ich musste sie loslassen, so wie ich es oft getan hatte. Sei stark und bleib es, egal wie unmöglich es erscheint...

Psychiatrie - Lasst uns zusammen sterbenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt