Kapitel 49

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PoV Anica

Gelangweilt und nachdenklich sah ich aus dem Fenster. Mittlerweile hatte Regen eingesetzt und Wolken bedeckten den Mond. Leise klatschten immer mehr Regentropfen gegen das Fenster und ich stand auf. Vorsichtig und mit schmerzverzerrtem Gesicht machte ich einen Schritt. Wie war ich nur auf die dumme Idee gekommen mir die verdammte Pulsader aufzuschlitzen? Schmerzen hatte ich jetzt davon. Kein Stück Freiheit. Aber das war besser so und ich war froh darüber.
Langsam ging ich zum Fenster und versuchte die schwarzen Punkte zu ignorieren, die sich in meine Sicht schoben. Verdammte Schwäche. Im Nachhinein hasste ich mich für meinen dämlichen Suizidversuch.

Schließlich blieb ich vor dem Fenster stehen und sah in die schwarze Nacht. In den dunklen Himmel. Wie hatte ich nur daran denken können es zu beenden, wo ich doch auf dem Weg der Besserung war? Traurig schüttelte ich den Kopf und sah zur Uhr. 00:44.Warum konnte ich bloß nicht mehr schlafen? Die Antwort wusste ich jedoch zu gut: Du hast Amgst vor der Dunkelheit. Angst nie wieder aufzuwachen...
Sofort wandte ich den Blick wieder aus dem Fenster. Weg von der Zeit. Weg von den Zeigern, die mir zuschrien, das die Zeit niemals anhielt.

Immer mehr und immer größere Regentropfen klatschten gegen das Fenster und ich sah ihnen einfach nur zu. Egal wie dumm und nutzlos ich mir dabei vorkam, irgendwie beruhigtem mich diese Geräusche. Endlich mal keine Stille. Endlich eine Anwechslung. Manchmal wünschte ich mir wie der Regen zu sein. Kalt und ohne Gefühle. Dann gäbe es keine Gedanken und keine Psychatrie...
Ich dachte an die Zeit, die ich schon hier war. Jeder Tag war irgendwie gleich und unterschied sich doch von den Andren. Jeder war unergründlich und geheimnissvoll. Und dank Fenja durfte ich noch welche erleben. Ich schüttelte den Kopf.

Niemand von uns verstand, warum sie mich gerettet hatte, obwohl sie doch selber sterben wollte. Wenn sie mich nicht gerettet hätte, wären wir beide jetzt tot. Ich hätte es geschafft mein Leben auszubluten und sie wäre vom Dach gesprungen. Vielleicht wären wir uns dort in der Dunkelheit begegnet, ein letztes mal angesehen und uns zugenickt...
Ich drehte mich vom Fenster weg. An so etwas wollte ich nicht denken. Zu viel Angst hatte ich davor an die Dunkelheit erinnert zu werden.
Also ging ich zu dem Bett zurück und setzte mich auf die Kante. Wieder fuhr mein Blick nach draußen, in die regenreiche Nacht. Irgendwie mochte ich die Dunkelheit ja doch, denn die Nacht liebte ich. Geheimnissvoll und still zugleich.
Dann drehte ich mich um und legte mich zurück in das weiße Bett. Ich seufzte und sah wieder zur Uhr. 00:56. Verdammte Zeit. Wieder seufzte ich und ließ meine Gedanken schließlich doch frei, obwohl ich wusste, was sie mir in den Körper brennen würden. Bilder von mir, wie ich auf dem Boden lag mit dem blutgetränkten Messer in der Hand. Wie ich auf meinen Arm sah und sehnsüchtig auf die Dunkelheit wartete. Wie der Schmerz alles in mir blockierte und ich die aufkommende Angst unterdrückte. Angst vor dem was kam. Angst vor den Tod. Und dann die Reue von meiner Tat... wie ich das Messer losließ und einfach nur nach Hilfe schreien wollte. Aber dazu war es zu spät gewesen...

Ich sah wieder zum Fenster und seufzte. Jeder Regentropfen erinnerte mich an das Blut, welches meinen Körper verlassen und mein Leben mitgenommen hatte. Sie schienen es mir in die Haut zu brennen, damit ich es nie wieder tat. Und das würde ich nicht, zu viel hatte ich zu verlieren. Und ich musste kämpfen. Dafür kämpfen, das ich diesen Ort wieder verlassen durfte und zwar ohne Suizid, egal wie gering die Chancen waren...

Psychiatrie - Lasst uns zusammen sterbenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt