Kapitel 11

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PoV Nina

Ich saß an der Wand gelehnt. Die Wut zerfraß mich. War ich grade etwa zu schwach gewesen jemanden umzubringen, dem ich vermutlich einen Gefallen getan hätte? Innerlich hoffte ich, das Fenja endlich tot war. Dann wäre sie die erste, die diesen Ort verließ, denn mit einem hatte sie Recht: Diesen Ort verließ man nur durch Suizid, sonst hatte man ihn nicht verlassen!

,,Ich muss zur Therapie", sagte ich dann ganz plötzlich und stand auf. Die anderen sahen mich bloß an, Verachtung und Angst lag in ihren Augen. Hatten sie etwa Angst um dieses Suizidopfer?! Am liebsten hätte ich ihnen diese Frage ins Gesicht gebrüllt, aber Stress wollte ich nicht.
Also verließ ich einfach den Raum.
Warum verstanden sie nicht, das ich nunmal ein Psycho bin? Ich bin doch deswegen hier!

,,Hallo Nina,setz dich", begrüßte meine Psychologin Frau Meyer. Ich mochte sie nicht sonderlich, sie verstand mich nicht. Trotzdem setzte ich mich stumm auf den Stuhl vor ihr. Sie nahm einen Block und einen Stift zur Hand und sofort stöhnte ich genervt auf. Nicht schon wieder!

,,Warum wolltest du Fenja umbringen?", began sie auch schon mit der Fragerunde und am liebsten wäre ich, wie sonst immer, einfach aufgestanden und raus gerannt. Aber irgendwie wollte ich meine Wut einfach mal in ehrliche Antworten legen. Einmal.
,,Sie wollte ja sterben und Psychos helfen sich doch gegenseitig,oder?", ich lächelte bitter und Frau Meyer schrieb sich etwas auf. Ich lehnte mich zurück und schaute durch die Gläser ihrer Brille in ihre braunen Augen.
,,Würdest du ihr wieder "helfen"?", fragte sie einfach weiter. Ich musste kurz überlegen, obwohl die Antwort doch klar war. Also nickte ich langsam:,,Jedes weitere mal. Und wenn sie fragen, warum: Diesem Mädchen kann man nicht mehr helfen. Ich würde sie einfach sterben lassen." Fast hätte ich mir selber auf die Lippen gebissen. Dachte ich wirklich so? Vermutlich.
,,Nina, wir versuchen hier jedem Mädchen zu helfen, wir geben hier niemanden auf." Wieder schrieb sie sich etwas auf.

Am liebsten hätte ich laut aufgelacht. Doch dann grinste ich nur:,,Und wie erklären sie sich dann,das sie keine Therapiestunden mehr erhält?" Kurz zögerte Frau Meyer, doch dann sagte sie mit fester Stimme:,,Das geht dich nichts an und das solltest du wissen."
Gewonnen.

Frau Meyer stellte mir noch ein paar weitere Fragen, dann kam sie endlich zum Abschluss:,,Wie nimmst du diese Psychatrie mitlerweile wahr? Geht es dir hier besser?"
Diese Frage überraschte mich und ich musste ehrlich nachdenken. Ging es mir hier besser?
In mir rangen die dunkle und die helle Seite dieses Ortes. Zum einen hatte ich hier soetwas wie Freunde gefunden, zum anderen hatten sich meine Aggressionen keineswegs gebessert. Nun war ich sogar schon bereit depressive Suizidopfer umzubringen. Am liebsten hätte ich über mich selber gelacht, aber wer lacht schon gerne über sein Verhalten?

,,Nina?", fragte die Psycholgin und musterte mich. Grade wollte ich antworten, als mir Fenjas Worte einfielen. Sie trafen auf all das hier zu. Ich sah zu Boden und wiederholte dann die Worte. Sie trafen besser zu, als jeder Gedanke in meinem Kopf.

,,Diese Psychatrie verlässt man nur durch Suizid, sonst hat man sie nicht verlassen..."

Psychiatrie - Lasst uns zusammen sterbenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt