Kapitel 88

131 11 2
                                    

PoV Anica

Ich ließ mich auf mein Bett sinken und lehnte mich an die Wand hinter mir. Dann atmete ich tief durch und versuchte diese scheiß Kopfschmerzen loszuwerden. Diese verdammten stechenden Schmerzen, die sich durch meine Gedanken zogen und ein dumpfes Hallen in mir erzeugten. Und der Grund war doch so simpel: Ich konnte diesen Ort einfach nicht noch länger ertragen, diese Erinnerungen an Dunkelheit und Kälte. Aber diese Gedanken waren nur ein kleiner Teil, der größte Teil von ihnen wollte Freiheit und endlich hier raus. Den Stress und alles hinter mir lassen. Die Lügen und das scheiß Leben hier...

Ich spürte, wie sich Tränen in meinen Augen bildeten und wischte sie fort. Tränen waren sinnlos, wann begriff ich das endlich?! Und ich war nicht schwach, ich war aber auch nicht stark. Ich war gebrochen, gespalten in zwei Teile. Die eine Seite wollte Leben und es hier raus schaffen und die andere Seite wollte Freiheit, einfach nur endlich frei sein. Und den Tod nahm dieser Gedanke in kauf. Er war die Nebensache, die man bezahlen konnte, wenn es nicht anders ging. Und der Tod siegt früher oder später immer. Er siegt immer, hat noch nie verloren! Kämpfen ist zwecklos und er ist schneller, als man rennen kann!

Ich seufzte und stand auf. Langsam ging ich zum Fenster und musterte meinen Arm im Schein des Mondes. Er nahm langsam wieder ab und dann schwache Licht tauchte die Nacht in eine unheimliche Stille. Eine Stille, getaucht in das Licht von hunderten Sternen, erhellt vom Licht des Mondes und bestückt mit den schönsten Winden der Erde. Geschmückt von einem schwarzen Mantel, der sich wie eime Mauer darum legte. Aber sie war vor allem besetzt von unzähligen Gedanken und Eindrücken. Gezeichnet von Kälte und Dunkelheit, aber auch von Schönheit und Frieden. Wie kann etwas nur so schön und friedvoll, jedoch zugleich geheimnissvoll und gefährlich sein?

Ich wickelte den Verband von meinem Arm und sah kurz auf die langsam werdende Narbe, fie sich dort abzeichnete. Sie hatte mein Leben beenden sollen und mich nicht eine eine fremde Welt setzten sollen...
Wäre Fenja nicht gekommen, wäre ich jetzt tot, ohne Gedanken und Gefühle. Aber auch bestückt von Leere und ohne mitzuerleben, wie auch Anna sich dem Tod immer mehr anschloss. Vielleicht hätte ich dann jetzt auf sie gewartet. Aber es wäre ein Warten ohne Ende gewesen. Endlos und ohne Liebe in meinem Herzen oder Freundschaft. Und ich hätte niemals erfahren, wie sich Angst anfühlte, die Panik vor dem endlosen...

Ich wickelte den Verband wieder um meinen Arm und strich kurz mit den Fingern über die kühle Scheibe. Das dicke Glas und jede Faser darin. Auch Glas konnte Leben beenden, das wusste ich. Eine Scherbe und alles wäre vorbei, die Angst und alle Gedanken...
Aber ich würde es nie wieder tun. Ich war nicht so, das war ich nicht! Vielleicht war es Fenja, die es irgendwann schaffte sich das Leben zu nehmen, aber nicht ich. Niemals!
Mein Herz schlug bei diesem Gedanken sofort schneller und ich atmete tief durch.

Dann drehte ich mich um und ging zurück zu meinem Bett. Fast immer war ich froh gewesen, hier allein zu sein, als Aylin endlich weg gewesen war. Aber manchmal schien mich die Einsamkeit doch zu erdrücken und mich zu Boden zu zwingen. Jedes Geräusch in der Stille schien falsch und jedes Wort unberechtigt. Kurz musste ich wieder an Anna denken und sofort spürte ich diese scheiß Sorgen. Dieses verdammte Gefühl zu wenig getan zu haben. Es waren vielleicht sinnlose Vorwürfe, aber nicht alles daran konnte so sinnlos sein, oder? Ich wünsche mir fast noch mehr; dass sie hier rauskommt, als das ich das schaffe...fühlt sich so echte Freundschaft an?

Psychiatrie - Lasst uns zusammen sterbenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt