Kapitel 62

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PoV Fenja

Ich betrat das leere Zimmer und schmiss die Krücken, die man mir gegeben hatte zur Seite. Ich brauchte keine Hilfsmittel, nur weil ich mir die Beine blutig gerissen hatte. Als hätte ich es nicht schon so oft getan. Lieber ertrug ich die schmerzen; schmließlich war ich doch selber Schuld. Schuld daran noch immer in diesem verdammten Leben zu stehen und nicht einmal den Sinn dain zu erkennen. Gezwungen mich jeden Tag hindurch zu quälen. Jeden Tag versuchen zu leben, obwohl ich innerlich schon lange tot war. Mir jeden Tag anzusehen, wie ich immer weiter starb und niemand mir helfen konnte.

Dann schlug ich die Tür zu und starrte einfach in dieses Zimmer. So viele Erinnerungen waren hier. Warum musste ich hierher zurück? Warum konnte ich nicht auf Station 5 bleiben? Warum hatte man mich in dieses Zimmer voller Gedanken zurückgesteckt?!
Ich spürte, wie mir Tränen in die Augen stiegen, aber ich hielt sie so gut es ging zurück. Daran wollte ich nicht erinnert werden. Trotzdem konnte ich all die Erinnerungen und Gefühle nicht ganz verdrängen.
Wie das Blut den Boden bedeckte und einen Bach bildete.
Wie die Tabletten meinen Kopf schmerzhaft schwer machten.
Wie ich vor Schmerzen aufschrie, als sich die Klingen in meine Haut bohrten.
Ja, hier waren so viele Versuche gescheitert, aber diese Erinnerungen waren nichts, im gegensatz zu dem Mantel der Verzweiflung und Trauer, die das Zimmer umgaben.

Egal wie sehr ich mich sträubte, die Erinnerumgen kamen trotzdem; als mein Blick auf das zweite Bett fiel. Ich sah wieder Paula vor mir, wie wir beide einfach nur an die Wände starrten und uns trotzdem wie ein Spiegelbild des anderen fühlten. Ja, wir waren hier zusammengewachsen, vielleicht war dort sogar mehr als nur eine Art Freundschaft entstanden. Eine Art tiefer Verbundenheit zu dem jeweils anderen.

Ich versuchte meinen Atem ruhig zu halten, als ich an den Tag dachte, an dem sie hier raus kam. Wie ich dachte, das sie wirklich gesund war, dachte sie wäre wirklich glücklich.
Ich wollte schreien, als ich die Bilder vor mir sah, wie ihre Schwester nur eine Woche später hierherkam um mir mitzuteilen, das Paula sich vor einen Zug geworfen hatte.
Ich lehnte mich an die Wand und versuchte nicht die Schmerzen von damals zu fühlen. Warum rissen diese scheiß Psychologen die alten Wunden der Vergangenheit wieder auf?! Warum taten sie mir noch mehr Schmerzen an?!

Ich stieß mich von der Wand ab und ging dann zu meinem ehemaligen Bett. Hier war ich immerhin allein. Dann sah drehte ich mich um und sah zu der schwarzen Kamera in der Zimmerecke. Zumindest fast allein.
Ich würde nie verstehen, warum man jemanden wie mich überwachen sollte, wenn ich es eines Tages eh schaffen würde. Endlich aus diesen verdammten Leben zu entfliehen, endlich ohne Schmerzen und Gedanken zu sein. Ohne Menschen, die einen belogen und schließlich für immer verließen.
Ich setzte mich auf mein Bett und zog den linken Ärmel meines Hoodies hoch. Vorsichtig und sanft strick ich über den Verband nach oben und üver die alten Narben.

Sie waren mein Spiegel, meine Erinnerungen. Das Werk meiner Gedanken und einer Klinge. Einem Messer oder anderen scharfen Gegenständen.
Früher hatte ich mir immer Scherben genommen. Immer eine in meiner Tasche gehabt um mir die Schmerzen wegzuritzen, wenn die Gedanken zu dunkel wurden. Niemand hatte die Bedeutung eines so kleinen Stückes Glas verstanden. Aber wer verstand schon einen suizidalen Psycho, dessen Gedanken schwarz wie die Nacht waren?
Für die Menschen dort draußen war ich eh schon lange tot. Niemand brauchte mich, niemand würde moch vermissen. Denn auch ohne mich kam die Welt dort draußen klar und ohne mich würde sie ein Problem weniger haben.
Warum sollte Suizid dann egoistisch sein?

Psychiatrie - Lasst uns zusammen sterbenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt