Kapitel 132

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PoV Jana

Joelyn strich sich noch einmal die Haare aus dem Gesicht. Dann lächelte sie kurz und legte ihren Kopf auf ihren angezogenen Knien ab. Ihr Blick glitt zum Fenster und wurde immer nachdenklicher.
,,Alles hat vor einem knappen Jahr angefangen. Ich habe angefangen mich zu ritzen und wollte es schließlich nach der Scheidung meiner Eltern einfach beenden. Aber ich konnte nicht, hatte Angst und Schuldgefühle. Und dann habe ich mich irgendwie zurück ins Leben gekämpft, kam aber in ein Jungendzentrum, wo wir zusammen in kleinen Wohnungen lebten. Aber ich wollte da nur noch weg. Die haben sich fast immer betrunken und meine Mutter hatte kein Interesse für mich."

Sie seufzte kurz.
,,Ich habe Agressionsattacken vorgetäuscht und mich so lange verstellt, bis ich hierher kam. Hier habe ich Ruhe, kann trotzdem etwas vom leben lernen und vor allem möchte ich helfen", sie sah zu mir und lächelte kurz schief, ,,Wir verstehen uns meist untereinander besser als die ganzen Psychologen hier. Und nachdem es Neele vor kurzem hier raus geschafft hat und meinte, ich wäre daran "Schuld", möchte ich so lange versuchen zu helfen, bis ich nicht mehr kann, bis man erkennt; wer ich wirklich bin."

Ich sah die Traurigkeit in ihrem Blick und trotzdem lächelte ich. Es stimmte: Fast jeder kannte Joelyn und jeder mochte sie. Sie hörte immer zu und half vielen hier. Auch mir.
,,Danke", began ich, ,,Danke, dass du soetwas tust. Du hilfst so vielen hier so sehr." Joelyn nickte leicht und schien sich diese Worte ein zu prägen. Sie war immer so ausgeglichen, so aufmerksam und so wenig krank, wie die meisten hier gesund. Vermutlich wusste sie selbst kaum; wie wichtig sie vielen doch war.
,,Und wie hälst du diese Täuschung aufrecht?", fragte ich nach kurzer Stille etwas neugierig. Joelyn grinste leicht.

,,Ich habe genug Betrunkene gesehen um zu wissen, was sie tun, wenn sie wütend sind. Ein Wutausbruch mit einem kaputten Gegenstand und die Pflegerinnen stopfen mich wieder mit Medikamenten voll", ihr Gesucht verzog sich angewidert. Ich nickte verständnissvoll und war doch erstaunt, dass man eine solche Maske haben konnte. Vielleicht würde sie ja einmal selbst eine Psychologin werden und anderen dann weiterhelfen können.
Ich fuhr über die Schramme über ihrem rechten Augen und zog sofort die Hand zurück, als sie zusammenzuckte. ,,Und was ist das?", fragte ich dann.
Joelyn schwieg kurz und dachte nach. Dann verschwand ihr Lächeln schlagartig.

,,Kinnie", fuhr sie knapp fort und sah dann zur Zimnerdecke. Wieder seufzte sie. Dann stand sie auf und sah noch einmal zu mir. ,,Ich muss jetzt gehen, rede mit Anica, versprochen?", sagte sie dann und ging in Richtung der Tür. Verwirrt nickte ich und sah schweigend zu, wie sie den Raum mit einem "Gut" verließ.
Ich war wieder alleine und wusste nicht einmal den Grund warum sie so schnell weggegangen war. Klar, über Kinnie redete niemand gerne und mögen tat sie vermutlich nur Lynn ein wenig. Aber selbst die beiden hatten sich schon oft gestritten, was meist von Kinnie ausgegangen war.

Ich musste unabsichtlich wieder an früher denken. An die Streitereien meiner Eltern und ibre Schläge. Was passiert mit mir, wenn ich hier raus bin? Meine Schwester war von unseren Großeltern aufgenommen worden, nachden ich hier gelandet war, aber was mit mir passieren sollte, wusste ich nicht. Und sofort packte mich Angst, Angst diese Liebe einer Familie zu vergessen und auch alleine zu sein. Sicherlich würden meine Großeltern auch mich aufnehmen, aber was wenn nicht? Ich zog die Beine an meinen Körper und spürte sofort Tränen in meinen Augen. Ich bin alleine, alleine mit mir selbst und meinem Schicksal. Aber ich will das nicht, ich will das nicht...

Psychiatrie - Lasst uns zusammen sterbenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt