Kapitel 163

81 12 0
                                    

PoV Nina

Ich wachte auf und spürte nur die dumpfen Kopfschmerzen. Mein Blick war verschwommen und sofort blinzelte ich ein paar mal, wobei sich ein paar Tränen aus meinen Augen lösten. Kurz konnte ich mich an nichts erinnern. Erst als mein Blick klarer wurde; erinnerte ich mich an die heftigen Kopfschmerzen vom gestrigen Tag. Und sofort fasste ich mir an den Kopf. Die Schmerzen waren fort; hallten nur noch gedämpft nach. Ich wandte meinen Blick zur Seite und setzte mich auf. Kurz erschrak ich, als plötzlich Lynn vor mir stans und mich unsicher musterte. ,,Geht es dir besser?", fragte sie dann zögerlich.

,,Du-?", fragte ich und hörte wie heiser meine Stinme war. Lynn unterbrach mich:,,Ja, als ich gestern reinkam hast du geschlafen und total gezittert. Trotzdem warst du fiebrig und ich hab überlegt eine Pflegerin zu holen oder dich zu wecken. Aber irgendwie hab ich es dann doch gelassen." Sie wirkte inmer noch unsicher. Selten hatte ich Lynn so erlebt. ,,Danke", murmelte ich und wusste nicht warum. Ich stand auf und ging ins Bad. Mir ging es besser und vermutlich waren die Schmerzen einfach nur ein paar Nachwirkungen des Schocks gewesen. Und auf Medikamente hazze ich gerade gar keine Lust.

Als ich im Bad fertig war und das Zimmer betrat, saß Lynn wieder auf ihrem Bett. Ihr Blick war zum Boden gerichtet und sie seufzte. Erst da viel es mir wieder ein: Heute würde sie diesen Ort verlassen. Sie würden es geschafft haben dieses verdammte Leben hinter sich zu lassen und in Therapie zu gehen. Aber gerade musterte Lynn nur das Zimmer, den Blick an alles heftend. ,,Wann kommst du raus?", fragte ich sie und lehnte mich in den Türrahmen. Sofort glitt Lynns Blick zu mir und ihr Gesicht erhellte sich. Trotzdem wirkten ihre Augen eher trist als strahlend.

,,Um 15 Uhr holen meine Eltern mich ab", meinte sie und stand auf. Sie schien gerade nicht wirklich reden zu wollen. ,,Warum bist du dann so traurig?", fragte ich und verspürte ein merkwürdiges Gefühl. Wir redeten nicht über Emotionen, wir stritten uns anstatt sie auszudrücken. So war es immer gewesen. Aber Lynn lächelte nur und ging zu mir:,,Ich bin so lange hier gewesen und es erscheint so merkwürdig diese Psychiatrie verlassen zu dürfen. Ich hätte nie gedacht diesen Ort einmal so sehr vermissen zu können, aber es ist zum Teil mein Leben geworden." Ich nickte, irgendwie verstand ich sie. Und irgendwie auch nicht.

,,Bist du fertig?", fragte sie dann schnell, als sie merkte, dass ich schon wieder in meinen Gedanken versunken war. Ich nickte schweigend und zusammen verließen wir das Zimmer. Der Flur unserer Station war leer, vermutlich weil es schon später war. Innerlich dankte ich Lynn, gewartet zu haben und nicht alleine zum Frühstück gegangen zu sein. Und nicht nur dafür dankte ich ihr. Ich verdankte es ihr mich selbst gefunden zu haben und immer stärker geworden zu sein. Jeder Streit hatte mich dahin geführt und zum Ende hatte ihre Entlassung uns eine Freundschaft geschenkt. Denn anders konnte ich es nicht nennen.

Wir waren zusammen durch Schmerzen und Hass gegangen. Hatten uns gehasst und jetzt würden wir uns davon trennen müssen. Denn irgendwie hatte ich das Gefühl, dass nur dieser Ort und unsere Krankheit uns zu Freunden gemacht hatte. Außerhalb dieser Klinik hätten wir nie zueinander gepasst und vielleicht hätten wir uns auch gehasst.
Es war ein komisches Gefühl zu wissen, dass sich diese Streitereien nun entgültig verabschiedeten. Ich bereute aber keinen einzigen Schlag, kein Wort und keine Gefühle. Nicht einmal den Hass, denn daraus hatte ich gelernt. Gelernt, dass aus Hass Freundschaft werden kann, wenn man es zulässt.

Psychiatrie - Lasst uns zusammen sterbenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt