Kapitel 74

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PoV Anica

Ich lag einfach nur da und lauschte in die Stille der Nacht. Einfach nur auf jedes Schweigen und den anhaltenden Atem. Egal wie viel Müdigkeit auch auf mich einschlug, ich hatte Angst vor der Dunkelheit. Ich wollte ihr nicht wieder entgegentreten und mich in seinen Fängen verirren. Wenn ich so recht darüber nachdachte, hasste ich mich jeden Tag nur umso mehr für jene verdammt bescheuerte Tat. Ich hasste mich dafür, dass ich mir das Messer in den scheiß Arm gerammt hatte. Ich hasste mich dafür, dass ich die Freiheit mehr als alles andere haben wollte und dabei mein eigenes Ich vergaß. So viel Hass und doch reichte er nicht, um mein Leben zu beenden. Denn dort siegte die Angst.

Langsam began es zu dämmern und ich sah traurig zum Fenster. Eines Tages würde ich die Sonne niie wieder sehen. Eingeschlossen von Stille und Dunkelheit daliegen. Für immer, nie wieder etwas anderes wahrnehmen...
Fast sofort erfasste mich eine Welle der Angst und mein Atem verschnellerte sich sofort. Ich spürte, wie sich Schweiß auf meiner Stirn bildete und mein Atem unregelmäßig und schnell ging. Die Gedanken zogen sich wie eine Schlinge um meinen Hals und ich versuchte verzweifelt sie zu verdrängen. Erfolglos.

Schließlich stand ich ruckartig auf und trat zum Fenster. Sofort wurde mir Schwarz vor Augen und die Angst wurde nur noch größer. ,,Fuck!", rief ich und stützte mich an der Fensterbank ab. Dann atmete ich tief durch und langsam verschwand die Dubkelheit. Aber die Angst verschwand nicht und ich sah verzweifelt aus dem Fenster. In das Rot der aufgehenden Sonne hinein und musste sofort an diesen verdammten Tag denken. Blurot. Wie mich das Leben verließ und ich zum ersten mal diese Panik hatte. So schnell hatte ich wieder leben gewollt znd dabei eine Tat noch nie so stark bereut.

Ich drehte mich erschrocken um, als sich die Tür öffnete und eine Ärztin hereinkam. Sie blieb sofort stehen und musterte mich kritisch:,,Was ist los mit dir Anica?" Ich sah sie ausdruckslos an und sie seufzte. ,,Erst willst du doch umbringen, dann hast du Angstattacken und jetzt schläfst du kaum noch", sagte sie dann und ihre Stimme klang ehrlich besorgt. Ich senkte den Kopf und musterte den grauen Boden. Was genau los war, wusste ich ja selber nich wirklich. Ich wusste nur, dass mich diese Angst von imnen zerfraß und ich sie doch nicht ganz begriff. Immer nur darauf wartete, das sie mich ganz einnahm und ich die Kontrolle über mein Leben verlor.

Dann zuckte ich bloß mit den Schultern und sah kurz auf. Der Blick der Ärztin war merkwürdig emotionslos und sie schüttelte den Kopf. Dann wollte sie schon wieder die Tür schließen, hielt dann aber inne und schien kurz zu überlegen. Ich sah wie zwei Seiten in ihr kämpften. Aber dann drehte sie sich doch wieder um und ihr Gesicht veränderte sich. Es sah besorgt und bestürzt zugleich aus:,,Du bist doch mit Anna von Station 5 befreundet, oder?" Ich sah erstaunt auf und nickte sofort. Ob wir richtige Freunde waren oder nicht war mir grade egal.,,Was ist-", hob ich an, aber sie war schneller.

,,Sie hatte einen kurzen Herzstillstand und danach eine Kreislaufschwäche. Wir haben sie in ein künstliches Kome versetzt, aber ihre Chancen zu überleben sind gering", sagte sie dann.
In diesem Moment glaubte ich, dass die Welt stillstehen und das Leben an mir vorbeiziehen würde. Alle Gefühle und Gedanken waren fort und ich konnte nichts mehr tun. Mein Körper war wie gelähmt und alles in mir war still. Als hätte jemand beschlossen, dass die Zeit den Atem anhielt. Und ich konnte nichts tun, war ein stummer Zuschauer. Ohne Gefühle und ohne Kraft. Eine leere Hülle am falschen Ort, im falschen Geschehen. Im falschen Leben.

Psychiatrie - Lasst uns zusammen sterbenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt