Halle/Saale April 2015

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Sie sind zum Pizzaessen verabredet, Tamara und Jakob. Tamara hat sich gefreut. Normalerweise hängen sie in Ehrlichstett rum, auf dem Reiterhof, am See, jetzt, wo das Wetter besser wird. Pizzaessen, war Jakobs Idee gewesen und Tamara war begeistert gewesen. Mal was anderes, ein richtiges Date, mal rauskommen, sich ein bisschen anhübschen und in der Stadt rumbummeln.

Und nun saßen sie hier, in dem kleinen italienischen Lokal am Markt und der einzige, der gute Laune verbreitet ist der Kellner, der hemmungslos mit Tamara flirtet und ihr Tonnen sinnloser Komplimente macht, die sich zum Lachen bringen.

Die Stimmung zwischen ihr und Jakob ist seltsam angespannt. Insgeheim gibt sie Devon die Schuld daran. Sie gibt sich Mühe, ein Gespräch in Gang zu halten, aber Jakob zum reden zu bringen ist gerade wie der Versuch, Steine zu schmelzen, sinnlos und kraftaufreibend. Sie erzählt alles mögliche vom Hof, von den Fohlen, die nun hoffentlich bald geboren werden und dem verrückten Grafen und seinen sonderbaren Eskapaden, um das das Gespräch am Laufen zu halten, während er auf dem Handy Nachrichten schreibt. Oder ein Spiel macht, das Gerät gibt leise Piepslaute von sich. Irgendwann hört sie auf zu reden und konzentriert sich darauf, die Salamischeiben auf ihrer Pizza hin und her zu schieben.

Als sie die zweiten Cola ausgetrunken haben, hält sie es nicht mehr aus:
„Bist du fertig?"

„Gleich"

Das ist schon das zweite „gleich". Sie lehnt ich zurück und beachtetet das grauenhafte Bild, gegenüber an der Wand. Die Olivenbäume und den terrakottafarbenen Hintergrund mit den angedeuteten Ruinen im Sonnenuntergang kennt sie jetzt schon auswendig Sie könnte es wahrscheinlich mit geschlossenen Augen nachmalen. Sie versucht es noch einmal:
„Ich würde jetzt gerne gehen!"

Seine braunen Augen verdunkeln sich genervt, als er sie endlich ansieht: „ Ich dachte, es würde dir Spaß machen, mal rauszukommen."

„Klar aber wir sitzen hier nur rum und reden nicht mal miteinander, während du auf deinem Handy irgendwelche sinnlosen Spielchen machst. Das macht nicht besonders viel Spaß!"

Er legt das Handy ab, stützt das Kinn in die Hand und sieht sie an: " Worüber würdest du denn gerne reden?"
Das macht sie noch wütender: „Seit über einer Stunde versuche ich es mit allen möglichen Themen."

„Und, was machen wir nächstes Wochenende?" Fragt er in betont bemühtem Tonfall.

Sie atmet tief durch und versucht sich zu beherrschen:"Klar, lass mich überlegen. was machen wir wohl: Ich gebe Reistunden und helfe meiner Mutter auf dem Hof und vielleicht gehen wir am Abend an den See, wenn keine Gäste mehr da sind. Vielleicht hat auch der Graf mal wieder ein paar Eskapaden im Sinn und dann wird es richtig lustig!"

„Der Graf? Na klar, der ist ja immer für eine Überraschung gut."

„Ja, vor allem jetzt, wo der Pachtvertrag wohl doch gekündigt ist und kein Mensch weiß, wie es weitergeht. Er..."

Jakobs Telefon, das vor ihmauf dem Tisch liegt, vibriert und er schaut sofort aufs Display. Verärgert starrt sie wieder auf dass grauenhafte Bild. Sonnenuntergang in der Toskana, einfach wundervoll!

„Sollen wir gehen?" Fragt er.

Na endlich. Sie greift nach ihrer Jacke, die über der Stuhllehne hängt, steht auf und geht auf die Treppe zu , ohne auf ihn zu warten. Soll er doch die Rechnung bezahlen! Geschieht ihm recht. Sie steigt die Stufen hinauf und öffnet die Tür nach draußen. Der Frühlingsabend ist bereits dämmrig und auf dem Platz schlendern Menschen hin und her, die Straßenbahnen knirschen und klingeln, wenn Passanten die Schienen kreuzen. Sie bleibt vor der Tür des Lokals stehen und betrachtet die abendliche Szenen. So friedlich! Die Leute wirken alle so friedlichund glücklch. Glücklich, dass Frühling ist, dass man draußen herumschlendern kann, Hand in Hand, den Straßenmusikern lauschen, ein Eis essen. Was eigentlich läuft bei ihr verkehrt? Warum kann sie nicht einmal das irgendwie richtig hinkriegen. Warum funktioniert das irgendwie nicht, mit Jakob und ihr?

Endlich kommt Jakob heraus: "Danke fürs Warten," sagt er mürrisch.

Sie verdreht die Augen und schweigt, während sie langsam zur Straßenbahn vorgehen. Er bleibt schon wieder stehen und fingert nach dem Handy in seiner Hosentasche. Er sieht auf das Display und fängt erneut an, irgendwelche Nachrichten zu tippen.

„Ich fahr allein nachHause," sagt sie und geht auf die Straßenbahn zu.

„Tammi, warte!". Er hastet hinter ihr her, das Handy noch immer in der Hand.

„Ne, lass mal. Ich fahr heim und wir sehen uns morgen. Oder am Wochenende. Kannst dich ja melden!" Und sie lässt ihn stehen. Und danke für das alptraumhafte Date fügt sie in Gedanken hinzu, als sie die Straßenbahn besteigt. Zischend schließen sich die Türen hinter ihr. Sie sucht sich einen Sitzplatz und sieht aus dem Fenster. Jakob steht noch immer da und tippt in sein Handy. Wundervoll, einfach wundervoll, so viel Interesse an ihrer Person hätte sie gar nicht erwartet, denkt sie sarkastisch.

Die Bahn setzt sich knarrend in Bewegung und sie schluckt mühsam die heraufsteigenden Tränen der Enttäuschung herunter.



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