Es ist der große Tag.
Die Hochzeit.
Die GROßE Hochzeit in Schloss Ehrlichstett.
Der Wettergott hatte ein Einsehen und schenkt himmlisches Hochzeitswetter, ein paar Wolkenflöckchen auf ansonsten azurblauem Himmel.
Alle sind gekommen. Freunde, Verwandte, Familie, Geschäftskontakte, Thomas, der sich die letzten Wochen zurückgezogen hat, sieht attraktiv und männlich aus in seinem dunklen Anzug neben der mädchenhaften Braut, selbst Sylvia, die vor Rührung pausenlos heult und schnieft, sieht einigermaßen akzeptabel aus in einem von den abgelegten Fummeln von der Gräfin.
Graf und Gräfin glänzen durch Abwesenheit, aber er nimmt das als Vertrauensbeweis, er, Harald Bonsayh fungiert hier heute als Schlossherr, er hat alle Schlüssel und ist der Herr über Kommen und Gehen.
Zufrieden sieht er aus dem Fenster des ersten Stocks, einem der privaten Gemächer des Grafen, aber was solls, hier hat man den besten Überblick über die Wiese und den Parkplatz, man sieht, wer kommt und wer wen und was mitbringt und wie wer sich wem gegenüber verhält. Michelle sieht er von hier kommen, die Tochter der Nachbarin, ihre graziösen Bewegungen, ihr engelslanges Blondhaar weht wie eine glänzende Fahne hinter ihr her. Natürlich muss sie vorne am Stall stehen blieben und eines dieser Pferde streicheln. Seine Stirn runzelt sich ärgerlich. Er hat schon so oft mit der Mutter geredet: Er hat erzählt, was man munkelt, die Haalswor, wie sie die Kinder anfasst und missbraucht für ihre Bilder und sie solle sich doch mal Gedanken machen, warum ihre Michelle die ganze freieZeit bei diesem Verein verbringe. Das wäre doch nicht gesund, nicht natürlich. Da gäbe es doch auch andre Vereine. Er will mal mit dem Schmilewksi reden, der hat doch auch Pferde, ob die Kleine nicht da reiten kann. Das ist doch unnatürlich hier mit der Haalswor und dem ganzen Pferdegekuschel, das hat doch nichts mit Sport zu tun, außerdem. Und eine begabte junge Reiterin, wie Michelle, die solle doch lieber woanders reiten nicht hier, da müsse man ja täglich Angst haben, dass die Haalswor dem Kind was antue.
Er folgt dem Mädchen und seiner Mutter mit Blicken, als sie sich endlich von den Pferden losgerissen haben und über die Wiese auf das Schloss zukommen.
Dieser Renfeld, der schleicht da auch rum. Geduckt, zwischen den Leuten. Der hat sie doch echt nicht mehr alle.
Er muss mit dem Grafen reden. So geht das nicht. Der Typ ist völlig irre, er sabbert und brabbelt und außerdem läuft er trotz der Frühsommerwärme mit so einem alten fleckigen Parka herum, der stinkt bestimmt.
Seufzend wendet er sich vom Fenster ab. Auf dem Rasen hat sich nun der Gitarrenspieler vor das Mikro gesetzt, das er vor dem Eingang zum Schlosshof installiert hat und fängt an das Kommen der Gäste mit leisen Tönen zu untermalen. Schön, einfach schön. Stilvoll.
Zufrieden zieht er die Tür zum Salon des Grafen hinter sich zu und schließt sie ab. Langsam geht er die Treppe hinunter.
Aus dem Innenhof hört er die Stimmen der Gäste, Gläserklirren, aber auch einen unangenehmen Geruch nach....Hundescheiße.
Fast wäre er reingetreten. Unten am Fuß der Treppe liegt ein Hundehaufen, auf jeder Stufe einer, das ist widerwärtig! Der Gestank zieht das ganze Treppenhaus hinauf. Das ist ekelerregend.
Wo ist dieser verdammte Renfeld? Der soll das wegräumen! Was, wenn einer der Gäste hineintritt, das ist widerlich!
Vorsichtig tritt er neben den Verunreinigungen die Stufen hinab und blickt sich suchend um. Der Innenhof ist voller gutgekleideter Menschen, die sich angeregt miteinander unterhalten. Keiner beachtet ihn. Er zieht dieTür des Treppenhauses hinter sich zu und beobachtet die Gäste.Keiner sieht ihn an. Keiner begrüßt ihn, keiner richtet das Wort an ihn. Er sieht Sylvia, sie bewegt sich zwischen den Leuten, richtet hier ein Wort, da ein Lächeln. Verdammt, was ist los mit ihr? Sie bewegt sich,...wie die perfekte Gastgeberin, so gewandt, geschmeidig, sicher. Als ob sie mit diesem Kleid von der Gräfin auch deren Umgangsformen übernommen hätte. Er versucht ihren Blick auf sich zu lenken, wie er da so am Rand steht, vor dem vollgeschissenen, stinkenden Treppenhaus, die Tür festhaltend, damit niemand die Bescherung mitkriegt, aber sie beachtet ihn nicht. Nein, sie hat ja Pflichten, sie eilt, sie lächelt, sie hat plötzlich ein Tablett in der Hand, sie reicht Gläser herum. Ihr Lachen perlt, wie die Bläschen in den Sektgläsern. Wann, verdammt, wann hat er diese Entwicklung verpasst?
Was verdammt ist hier los?
Langsam macht er sich auf den Weg durch die Gäste, die ihn schubsen, ihm im Weg stehen, ihn an die Seite drängen.
Schließlich erreicht er die Freifläche, steht vor dem Gitarrenspieler, der sinnlos vor sich hinklimpert. Hört sowieso keiner zu.
Harald Bonsayh nimmt einem vorbeieilenden Gast ein Glas aus der Hand. Der Mann sieht ihn verwundert an, wendet sich dann aber ab um einem weiteren Gast entgegenzulaufen, der eben den Weg vom Parkplatz hinaufkommt. Bonsayh stellt sich neben den Gitarristen, und schlägt mit der Stimmgabel, die auf dem Bestelltischchen liegt, gegen das Glas. Mehrfach. Es klirrt und klingelt. Der Gitarrist begreift als erster und hört auf zu spielen.
Schließlich die Gäste.
Es dauert.
Endlich verstummt das Raunen und Reden, das Lachen und sie wenden sich dem nervösen, dem schwitzenden Mann zu, der am zu engen Kragen seines Jacketts zupft und ansetzt, eine Rede zu halten. Ein paar Männer hinter ihm witzeln, weil er sich verhaspelt, abwechselnd rot und blass wird und dreimal neu ansetzen muss, ehe er wirklich beginnen kann.
Er redet und spricht, die Worte holpern und stolpern aus seinem Mund. Langsam, nimmt er wahr, dass die Zuhörer in Bewegung sind.
Siegehen.
Erst einige und dann mehr und mehr. Sie verlassen das Gelände. Sie gehen hinter ihm entlang. Sie gehen den Weg am Teich entlang. Er hört die Stimmen in seinem Rücken.
Er sieht sie.
Michelle, Michelles Blondhaar, sie hat ein Kind an der Hand.
Sylvia geht neben ihm vorbei, in Richtung Teichweg.
Wo ist Thomas? Was ist hier los?
Die Menschen, seine Gäste, gehen nach hinten. In den hinteren Bereich des Geländes. Zu den Ponyleuten. Sie gehen die verdammten Ponys streicheln. Die Kinder da daraufsetzen, Michelle, die ein Pferdführt. Auf dem ein Kind sitzt. Ohne Sattel und er ...
...er ist hier, im Schloss, zurück, zurückgelassen.
Während die...
Das Mikrofon pfeift, als er seinen Platz verlässt.
Er geht wieder hoch, in den Salon des Grafen. Er blickt auf die Wiese, auf die Kinder und die Ponys und das Lachen und die Missachtung und seine Wut legt sich wie ein roter Schleier vor seine Augen. Der Graf hat recht, mehr als recht. Die müssen weg. Das ist nichts Gutes, das ist ein Verbrechen, das geht nicht mit rechten Dingen zu, das ist Hexerei, das ist Übel, das Übel der Welt.
In seiner Kameratasche hat er den Katzenkopf.
In einer Plastikverpackung
Das halbverweste Teil stinkt, als er es auspackt.
Und mitten auf das Büfett legt.Mittendrauf, auf die Hochzeitstorte.
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Libertas Haus, das Schloss
ParanormalneWas bisher geschah: Corinne Haalswor und ihre 16 jährige Tochter Tamara ziehen aus München in den wilden Osten Deutschlands ins Hinterland von Halle/Saale in das kleine Dorf Grömlitz. Hier scheint die Zeit stillzustehen und es finden sich bald all...