Giwari Wih, 837

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Die Söhne von Marah und Marah änderten alles, in Giwari Wih, denn beide, jeder auf seinen Art waren die geborenen Könige. Wo auch immer die große Bauernstute Marah sich vorher befunden haben mochte, in ihrer Umgebung musste sich ebenfalls ein wahrhaft königlicher Hengst aufgehalten haben und Gefallen an dem derben Bauernpferd gefunden haben. Manchmal, so weiß man, schert sich ja die Liebe nicht um die Gepflogenheiten und Vorgaben der Etikette und so wies auch der Menschensohn Marahs ein erstaunliches Ähnlichkeitsmaß einem gewissen adligen Lehnsherrn auf.

Der Sohn der Stute war eine vollendete Schönheit: Lackschwarz, wie die Nacht in der er geboren wurde, lange kräftige Beine, die unten in üppigem seidigem Behang ausliefen, eine erhobene königliche Halsung, hoch, wie ein Schwanenhals mit einem edlen Schwung und eine kräftige runde Hinterhand. Ein geborenen Schlachtross, ein Ritterpferd, ein Kaiserpferd. Jedem, der dieses Tier sah war klar, dass hier ein Wunder in diesem Stall hauste.

Der Lehnsherr war mehr als begeistert, über dieses unvermutete Geschenk. Nur was damit anfangen? So ein Pferd braucht eine Ausbildung und die ist teuer, ein Schlachtross ist nicht nur das Pferd allein, sondern auch die unzähligen Tricks, Dressuren und Fertigkeiten, die von Meistern ihrer Zeit aufwändig beigebracht wurden. Hier war nun guter Rat teuer.

Das Grübeln setzte erneut an, es endete aber ebenso schnell wieder, da Marah sich in der Burg einfand, sich dem Lehnsherrn gegenüber setzte und, nachdem sie ihren Sohn gestillt hatte, diesem in schönster Hochsprache folgendes zu verstehen gab: Beide, der Junge und der Hengst sollten Bibotari heißen.

Bei dem Jungen hatte der Lehnsherr wenig Einwände, auch wenn sein Blick sanft wurde, als der Kleine ihn mit seinen eigenen dunklen, stets ein wenig verschatteten Augen betrachtete, als würde er bereits anfangen, zu grübeln, was er nun auf dieser Welt zu tun verpflichtet war. Aber der Hengst? Selbst, wann man ihn nicht selbst halten konnte, man konnte ihn verkaufen und wäre da nicht ein klangvollerer Name....??? Nein, die grünen Augen blitzen unwillig und die gerunzelte Stirn hieß ihn Schwiegen.

Er bleibt hier.

Beide Bibotaris werden miteinander aufwachsen. Der Hengst wird unreitbar sein, wild und unzähmbar. Das heiße Blut des Schlachtrosses hat sich auf unheilvolle Weise mit der Kraft der Bauernstute verbunden, so dass dieses Pferd eine Gefahr darstellen wird. Es wird töten, wenn es geritten wird, ein unbefugter Reiter wird beim Stürzen von ihm sterben. Marah sagt des mit allem Nachdruck und dem Lehnsherrn läuft es kalt über den Rücken, er, nein, er fühlt sich ohnehin nicht berufen, ein solches Teufelstier zu reiten.

Er wird von keinem anderen als seinem Namensbruder geritten werden können, sagt Marah. Der Lehnsherr sieht die Bauernmagd fassungslos an. Man stelle sich vor, da flattert einem ein Lottogewinn ins Haus und jemand erzählt einem, das sei alles Falschgeld. So ungefähr muss der arme Kerl sich gefühlt haben. Die Magd Marah neigt den Kopf und lächelt. Sie macht eine Pause und fährt dann fort:

Aber Bibotari, der Hengst wird seinem Besitzer das erwünschte Vermögen bringen. Er solle Stücke am Wald roden und Koppeln schaffen und Stallungen bauen. Bibotari werde er ein berühmter Vererber werden. Seine Söhne, sagt sie, werden ins Morgenland ziehen und die Größen der Abendländischen Welt auf ihren Rücken tragen. Ihre Schönheit sagt sie, wird unvergleichlich sein und ihr Mut legendär. Er braucht Platz, viel Platz und er braucht ihn bald, denn kleine Hengste werden schneller groß als kleine Menschen.

Marah steht auf und geht. Sie wird die Burg nie mehr betreten. Sie und Bibotari, ihr Sohn, werden weiter im Pferdestall leben, im Winter vielleicht manchmal die bessere Lösung, denn wenn sie die durchscheinende Haut und den verfrorenen Gesichtsausdruck der Braut sieht, die bald darauf eintrifft und Quartier nimmt, so freut sich sich über ihren warmen Stall und ihr Bett im Heu.


Der Lehnsherr tut alles so, wie sie es gesagt hat. Er lässt Stallungen bauen und Wiesen roden und tatsächlich, das kleine Dorf Giwari Wih wacht aus seinem menschengedenkenalten Dornröschenschlaf auf. Berichte vom Wunderpferd sprrechen sich herum, seine Schönheit und seine Kraft, auch wenn nur ein kleiner Junge es zu reiten vermag. Dieser dafür spielend, wie mit Zauberkraft. Diverse Ritter treffen sich in Giwari Wih, um das Wundertier zu zähmen, aber der Schwarze legt sie alle ab, schüttelt dazu die königliche Mähne und galoppiert mit seinem jungen Herrn in die Wälder hinein. Einer der Ritter lässt dabei sein Leben, wie Marah es vorhergesagt hat und das bringt die Versuche, den Schwarzen zu zähmen, zum Erliegen. Der Lehnsherr, klug, wie er ist, bleibt bei seinen Leisten, bevorzugt das Kutschfahrten mit dem edlen Gespann, das er sich bald leisten kann. Denn die Stuten kommen. Von allen Landen kommen die Stuten, um gedeckt zu werden, von dem Wundertier.

Ja, alles entwickelt sich prächtig, für unseren Vorfahrn, eigentlich könnte die Geschichte hier zu Ende sein. Aber, wir haben jemanden vergessen....den bösen Nachbarn in der nebenliegenden Kastella! Was ist eigentlich aus dem geworden?? Denn war er nicht eigentlich der Anlass für all die fieberhaften Gebete und den Einsatz der Götter?

Der böse Nachbar gibt natürlich nicht auf. Das Wunderpferd und der steigende Reichtum des Lehnsherrn wecken Begehrlichkeiten und Überfälle häufen sich, die Wege zur Burg durch den Wald sind nicht mehr sicher. Koppelzäune werden zerstört und Pferde freigesetzt. Oft suchen sie tagelang in den Wäldern nach den wertvollen Zuchtstuten. Der Brunnen wird mehrfach über Nacht zugeschüttet, so dass sie ihn mühevoll am nächsten Tag ausgraben müssen. Kein Paradies ohne Schlange, könnte man sagen, auch wenn der böse Nachbar inzwischen begriffen haben sollte, dass er den Lehnsherrn, bei seinem Erfolg in der Gegend, nun doch wohl wirklich nicht mehr loswerden kann.

Es kommt der Tag an dem man am kaiserlichen Hofe aufmerksam geworden warauf den erfolgreichen Beschäler und unter größten Sicherheitsvorkehrungen werden fünf Zuchtstuten aus den kaiserlichen Marsställen nach Giwari Wih gebracht, um die Manneskraft des Schönen zu genießen. Es gelingt dem bösen Nachbarn und seinen Spießgesellen, eine der wertvolles Stuten zu stehlen, es muss mit dem Teufel zugegangen sein, denn die Tiere wurden besser bewacht, als die Kronjuwelen.

Nun soll Bibotari auf seinen Namensbruder gestiegen sein, als er dies hörte und wie es seine Art war, ohne Sattel und Zaumzeug mit dem Wilden zur Kastella geprescht sein. Wie die Götter mit den Guten sind, so erwischt er die Halunken gerade noch dabei, wie sie die Stute vom Hof schaffen wollen, wahrscheinlich um sie gegen gutes Geld nach irgendwohin zu verkaufen. Bibotari prescht also auf den Hof, schießt mit dem mächtigen Pferd an den Dieben vorbei und kommt vor dem übeltätigen Herrn des Kastells zum Halten. Mit dem Druck seiner Schenkel bring er den mächtigen Hengst zum Steigen, dass dem Hausherrn Angst und Bange wird und dann, so sagt es die Legende, streckt er den rechten Arm aus und entlässt aus seiner rechten Hand einen Feuerball, der im Kontakt mit dem Boden rasch an Größe gewinnt, den vor Schmerz und Überraschung aufschreienden Hausherrn überrollt und an der Schlossmauer schließlich zischend zu erliegen kommt.

Es ist nur eine Legende und Legenden erhalten vieles, was dem Volksmund gefällt und er erdichet. Dieser Legende nach jedenfalls soll der halbverbrannte Hausherr dann vor dem immer noch steigenden Pferd auf die Knie gesunken sein, die Stirn zum Boden gesenkt haben und „Bibotari" gemurmelt haben.

Was nämlich nicht viel anderes bedeutet als „Meister"

Und zwar ein solcher Meister, ein richtiger, einer der weiß, von allem. Und der die Macht hat.

So hat die Legende vom Meister von Ehrlichstett begonnen.


Libertas Haus, das SchlossWo Geschichten leben. Entdecke jetzt