Ohne Titel Teil34

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Ehrlichstett,Juli 2015


„Das muss sich aufhören, tun Sie endlich etwas!" Hugo von Hülstorff ist außer sich. Die Sommerhitze ist nun auch ins Schloss vorgedrungenen und die heiße stickige Luft lässt neben dem Zorn seine Stirnadern zu dicken Wülsten anschwellen.

„Ich kann nicht mehr," seine Stimme bricht, als er sich auf den zerschlissenen Biedermeiersessel fallen lässt, dessen ziselierte Beine bedrohlich ächzen.

Cindy springt auf und legt eine Hand auf seine Stirn, wie eine Krankenschwester. Hülstorff ist fertig, das sieht man. Er ist so fertig, dass er sich Cindys sanfte Berührung ungerührt gefallen lässt und erleichtert die Augen schließt. Cindy gibt leise beruhigende Laute von sich, wie zu einem Kind und hebt den Blick hilfesuchend zu Harald Bonsayh, der ihr und Hülstorff gegenübersitzt.


Das letzte Mal, vor zwei Wochen, ist Hülstorff überstürzt abgereist. Der ganze Trubel um dieses Minipferd, die Menschenmassen, die plötzlich ins Schloss stürmen, die alles begaffen, die sich lustig machen, über die Zäune, die Absperrungen, die plötzlich kindisch aussehen, lächerlich, unglaubwürdig. Er war alleine gewesen, keiner hatte ihm geholfen zu argumentieren, zu erklären, zu zeigen, wie man hier sein Schloss vandalisiert. Die Leute waren einfach weitergegangen und hatten gelacht, über den sonderbaren Alten mit seinen Handzetteln, auf denen Unverständliches vermerkt stand. Sie wollten Nicki sehen, das Minipferd und nichts und niemand schien sie abhalten zu können.

Die Schlaumeier vom Verein nutzen die Gunst der Stunde und hatten begonnen eine Unterschriftenlisten zu führen, die wohl dem Landrat vorgelegt werden sollte.

Ein Vertrauter, den er geschickt hatte, die Papiere, die sie dort auf demTisch hielten und den ganzen Schaulustigen zur Unterzeichnung vorlegten, diese Papiere zu untersuchen und schreckensbleich war der Mann zu ihm zurückgekommen und hatte berichtet von der Liste, auf der bereits hunderte von Namen standen. Er selbst hatte sich sogleich aufgemacht und wollte die Liste konfiszieren, das geht ja wohl zuweit, eine Liste zu führen mit Unterschriften gegen ihn, den Grundeigentümer, aber die Haalswor hatte sie ihm aus der Hand genommen und weggeräumt, mit einem entschuldigenden Lächeln, höflich und weil mal wieder zig Leute da herumstanden, konnte er keine Szene machen und war einfach wieder gegangen.

„Gegen diese Verbrecher kommt man nicht an," haucht er. Die feuchte Hitze war ihm in den Kopf gestiegen. Seine Stirn pocht und dröhnt. „Diese Haalswor, das gibt es nicht, das geht nicht mit rechten Dingen zu, was die da treibt. Die verdient Zigmillionen, Millionen mit diesem Minipferd, Millionen auf meinem Grund und Boden und ich und das Schloss wir gucken ins Leere!"

Seine Augen sind noch immer geschlossen, so dass er nicht sehen, kann, wie Bonsayh sich erhebt und den den Rücken strafft.

„Geben Sie nicht auf, „ sagt er mit theatral fester Stimme. „Erstens, ich habe noch eine Geheimwaffe," ein fieses Lächeln schwingt in seiner Stimme, das Hülstorff die Augen öffnen lässt „Und, sie ist schon auf dem Weg. Vertrauen sie mir! Sie haben hier einen Fachmann am Werk, die geben schon noch auf, warten Sie ab."
Bonsayh macht eine wirkungsvolle Pause, während alle ihn ansehen.

Alle, das sind noch Cindy, die noch immer Hugo die Stirn streichelt und Rabena, die sonderbar bewegungslos in einem Sessel neben ihrem Mann sitzt und deren starrer Blick verrät, dass sie an dem Geschehen weder Anteil nimmt, noch zu nehmen wünscht. Unter ihrem rechtenAuge zeigt sich ein gelblich-violett verheilendes Hämatom, das ihr ein kränkliches Aussehen gibt. Sie sei gestürzt, sagt sie, auf der Treppe, als die Glühbirnen ausgefallen seien. Seitdem hat sie nicht mehr gesprochen, sondern nur anwesend-abwesend mit diesem leeren Blick da gesessen.


„Und Sie sollten einen Anwalt nehmen," sagt Bonsayh nun. „Ich gebe Ihnen eine Adresse von einem guten und wirklich skrupellosen Mann!"


Hülstorff fährt auf. „Das kostet ein Vermögen! Waren wir uns nicht einig gewesen, dass es ohne Anwälte und Gerichte gehen muss."


„Ja, waren wir grundsätzlich," Bonsayhs Stimme wird leiser, "aber keiner hat mit diesem verflixten Minipferd gerechnet. Die werden immer bekannter, und wir geraten immer weiter ins Hintertreffen. Der Anwalt soll Verfügungen raushauen, den Weg sperren, den Strom sperren, den Brunnen sperren, die Zufahrt sperren, zack, zack,zack... Alles was im Pachtvertrag nicht ausdrücklich mit verpachtet ist, erstmal verbieten. Lassen Sie denen das Klo sperren, wenn es geht! Einstweilige Verfügungen, raus und zack. Das kostete nicht die Welt

undwenn alles gut geht, dann müssen die das sowieso zahlen. Und es gehtschnell. Und die müssen reagieren, die können Sie dann nicht mehr weiter ignorieren, das geht nicht. Und," er machteine Pause,"ich weiß, dass Sie das eigentlich nicht wollten, aber die Klage muss raus. Sie müssen die räumungsklagen. Das untermauert alles. Und dann ab an die Presse. Das dämliche Minipferd muss raus, weil seine Besitzer gekündigt sind! So muss das klingen. Wie sie das arme Tier misshandeln und ausnutzen und morgen schon hats kein Zuhause mehr! Dann haben wir die Sympathien auf unserer Seite. Die als die skrupellosen Geschäftemacher hinstellen, die sie sind. Und wir, die wir nur das Beste wollen, für das unschuldige kleine Tier." Er grinst.


Cindy hat den Atem angehalten und sieht ihn bewundernd an.

„Das ist großartig," haucht sie, „dass ist eine geniale Idee. Wir benutzen das Minipferd. Wir sind die eigentlichen Tierschützer, wir wollen es retten vor denen die es nur ausnutzen und verkaufen und misshandeln und so."
Bonsayh grinst. Sie hat es begriffen. Gar nicht so doof, die Kleine!


„Ja,"nickt er beifällig, „und im Internet mit den Gerüchten, nicht nachlassen. Alles fügt sich im Ende und dann geht alles auf einmal los. Die haben inzwischen auch ziemlich viele Einstellerpferde. Wenn die Klage raus ist, kriegen die Einsteller Angst und das müssen wir schüren. Angst, dass ihre geliebten Pferdchen nicht sicher sind, dass der Gerichtsvollzieher die nimmt, dass sie von heute auf morgen auf der Straße stehen.Cindy, verbreite das! Streu das in der Szene, da sind doch auch Einsteller von euch dabei, die da rüberwechselt haben. Sag das denen, unter der Hand, lass die das wissen. Und dann warten wir ab," sein Grinsen wird noch breiter.


„Lass die ihre Unterschriften sammeln" zu Hugo," die können sie in dieTonne treten, ehe das Jahr um ist, sind wir sie los. Nehmen Sie mich beim Wort."


Hugo hat sich aufgesetzt. In seinen Blick ist Klarheit zurückgekehrt und Stärke:

"Bonsayh," sagt er mit fester Stimme, „Sie sind mein Mann! Ich danke Ihnen, ich wusste, dass man sich auf Sie verlassen kann. Geben Sie mir die Adresse von diesem Anwalt. Ich mache da einen Termin."

Er steht auf. Er wirft einen Blick zu Rabena, die in ihrerzusammengesunkenen Haltung verharrt. Sein Blick richtete sich wieder auf Harald Bonsayh.

„Ich danke Ihnen," wiederholt er mit bewegter Stimme, "Sie machen sich verdient um Schoss Ehrlichstett. Das werde ich Ihnen nie vergessenen."


Das wollen wir wetten, denkt Harald Bonsayh. Und wenn doch, dann werde ich dich daran erinnern.


Er wirft Hugo von Hülstorff ein zuversichtliches Lächeln zu.



Libertas Haus, das SchlossWo Geschichten leben. Entdecke jetzt