Ehrlichstett, April 2016

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Rudolph Renfeld kann sich kaum noch auf den Beinen halten. Mühsam beugt er seinen langen, ehemals fülligen Körper nach vorne, der nun aussieht, wie ein Abbild seines Chefs. Mager ist er geworden mager, wie der Tod, er versteht das nicht, er isst doch, wie ein Scheunendrescher, aber er wird weniger und weniger. Der Schweiß steht ihm auf der Stirn, als ein Häufchen Katzendreck auf die Stiegen zu den Schlosszimmern des Grafen legt.

Morgen wird der Graf aus München erwartet und er muss die Dinge ein wenig vorantreiben. Der Graf hasst die Katzen fast noch mehr als er diese Pferdeleute hasst und die Haalswor und allein der Gedanke, dass die verhassten Tiere sich in seinem Schloss breit machen, wenn er weg ist, bringt ihn zur Weißglut. Und Weißglut, Renfeld braucht diese Weißglut. Er weiß nicht, wie lange er noch durchhält.

Sein magerer Körper schüttelt sich in einem krampfartigen Husten und ein Brocken Auswurf tropft aus seinen halboffenen Lippen neben das Katzenhäufchen. Egal, fahrig wischt er sich mit dem Handrücken über den Mund.

Der Meister, der Meister ist mit aller Macht zurückgekehrt und hält seinen Kopf besetzt.

Der Meister will, dass er hier ein Feuer entfacht, dass das Schloss brennt, im Krieg und in Zwietracht. Er träumt davon, in durchschwitzen kurzen Nächten, 

wie das Schloss brennt, wie es eine Ruine wird, eine schwarzerauchende Ruine, unrettbar, diesmal.

Der Meister jagt in seinem Kopf umher und lässt vernünftigen Gedanken keinen Raum mehr. Der Graf, dieser Bonsayh, der mit dem Einstecktuch, so viele Leute hier zur Zeit auf dem Schloss, eine Stiftung soll gegründet werden, aber was ist dann eigentlich mit ihm? Er, Renfeld, ist der Beschützer, der Bewahrer des Schlosses, er kennt dasSchloss in und auswendig jeden Stein kennt er. Und wenn der mit dem Einstecktuch nun das Schloss zurückbekommt, was wird aus ihm? Was wird aus dem Schloss? Was kann er tun, was muss er tun? Und ob das Schloss brennt? Ob das Schloss wirklich brennen soll?

Der Schweiß tropft von seiner Stirn, obwohl es noch immer kalt ist, im Stiegenaufgang des Schlosses, kalt trotz des warmen Wetters draußen.

Für einen Moment lässt er sich niedersinken und setzt sich auf die kühlen Sandsteinstufen und drückt seine Stirn an die feuchte kalte Wand. Sein Schloss, seine Verpflichtung, aber er ist krank, er weiß nicht, ob er das noch schafft, ob er noch bewahren kann und der Meister, der ist fordernd, der will..

Renfeld schließt für einen Moment die Augen und ohne es zu bemerken fällt er in einen erschöpften Schlaf. Sein Körper sackt vornüber und seine Schultern berühren fast die Knie als der ehemals stattliche Mann zu einem bleichen Haufen zusammensackt.

Die Ratten, er träumt von den Ratten. Er schafft es nicht mehr die Ratten zu fangen und die Küche in seinem kleinen grauen Haus ist voll davon. Sie huschen noch zur Seite, wenn er kommt aber sie stehlen sein Essen, sie beissen alles an, sie verunreinigen alles. Die Katzen, die kommen schon lange nicht mehr und die Ratten werden sich an ihm, Renfeld, gütlich tun, wenn er nicht aufpasst. Wenn er nicht tut, was von ihm verlangt wird. Wenn er...

„HEEE, Rudi, machst denn du da? Hast du kein Bett!" Mirkos fröhliche Stimme hat einen besorgten Unterton als er Renfeld dort auf den Stiegen kauernd vorfindet. Dieser reisst erschrocken die Augen auf und starrt Mirko verwirrt an.


„IH; Da liegt ja Katzenscheiße, hast fast dringesessen, Alter, Pfui Deibel, ist ja eckelig."

Mirko wischt das Kothäufchen mit einer schnellen angeekelten Bewegung der Fußspitze die Stiegen hinunter.

„Wo das wohl herkommt? Ich seh da nie Katzen im Schloss, außer damals, als wir die Katzen reingelassen haben, damit sie das Buffet abräumen, weißt du noch, Alter, das war lustig, die dummen Gesichter der Leute und der Klapsmann wie der sich aufgeregt hat!"


Renfeld schüttelt nur den Kopf. Ihm ist schwindelig und er ist müde, so müde.


„Mann, Alter, Rudi du solltest zu einem Arzt gehen. Ehrlich siehst nicht gut aus, ehrlich."


Seufzend erhebt Renfeld sich. In einem ersten Moment des Schwindels muss er sich an der Wand abstützen.

„Ne,"ächzt er, „Geht schon. Das ist nur die Hitze, das vergeht schon wieder!"


Zweifelnd sieht Mirko ihm nach, als er langsam und schlurfend die Stiegen hinabsteigt. Wie ein alter Mann. Wie ein plötzlich gealterter Mann.



Libertas Haus, das SchlossWo Geschichten leben. Entdecke jetzt