Berlin, Juli 2015

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„Sag mal, hast du nicht gesagt, dein Typ hat Geld?" Zweifel klingen in Kylies Stimme, als die beiden Mädchen die U-Bahn verlassen haben und die Straße gefunden haben, in der Jakobs Schwester wohnt.

Plattenbauten, riesige Hochhäuser, die schon bessere Zeiten gesehen haben, sicher nicht die beste Gegend. Alte Ostzone und seit hunderttausend Jahren nicht renoviert. Verlassene Wohnungen mit rußgeschwärzten Wänden und eingeworfenen Fensterscheiben, darüber noch bewohnte Einheiten, zugehängte Fenster, Satellitenschüsseln an den Fassaden.Überquellende Mülltonen in den Hauseingängen, ein räudiger kleiner Hund, da eine alterlose Frau barfuß in zerrissenen Feinstrumpfhosen und einer übergroßen fleckigen Strickjacke die in einer Mülltonne wühlt.


Tamara sieht sich zweifelnd um: „Ja, sieht komisch aus. Aber das ist sicher die richtige Adresse." Sie zieht einen Zettel aus ihrer Hosentasche und liest noch einmal stirnrunzelnd die Adresse: „Echt sonderbar."


Kylie legt den Kopf schief und sieht sie an: "Ich kann mir echt nicht vorstellen, dass dein Typ hier mit seinem schicken Neuwagen rumgurkt. Der ist doch Schrott in einer Minute, wenn du den aus den Augen lässt oder auf dem Weg nach Polen."


„Weiß auch nicht," Tammi zieht den Kopf zwischen die Schultern, als sie eine Gruppe Jugendliche passieren, die in einem Hauseingang Schutz vor der sengenden Sonne gesucht haben. Einer der Jugendlichen, ein Junge ist auf den Stiegen eingeschlafen und lehnt seinen Kopf mit offenem Mund an die schmutzige Häuserwand. Ein Gutaussehender im Muskelshirt, mit schweißglänzendem Oberkörper spuckt in hohem Bogen vor die Füße der Mädchen, als sie vorbeigehen.


„Hey, tickst du?" Kylie fährt wütend auf.


„Kylie, bitte" Tammi versucht eilig, sie am Arm weiterzuziehen, aber Kylie ist stehengeblieben und sieht den Jungen wütend an. Dieser grinst ein schmieriges Lächeln und kommt langsam die Stufen hinunter auf die Mädchen zu.


„Kylie!" Drängend zieht Tamara sie nun am Arm und versucht die Freundin von dem Jungen wegzuziehen, weiter die Straße hinunter.


„Na, ihr Bitches? Was treibt euch den hierher? In rosa, echt süß" Der Junge steht nun vor ihnen und zupft an Kylies Minirock.


„Hey, Scheiße!" Aus dem Hauseingang dringt die schrille Stimme eines Mädchens und wie ein Blitz kommt eine dünne Jugendliche die Stufen hinuntergeschossen und baut sich vor Kylie und Tamara auf." Hey, du Schnalle, grab meinen Typen nicht an!"


Das Mädchen ist groß und dünn und an ihrem linken Nasenflügel streiten sich eine ungeheure Menge Piercings um den Platz, was die Nase sonderbar schief und aufgebläht erscheinen lässt. Sie trägt eine unvorstellbar kurze Shorts, die den Blick auf ihr mageres Hinterteil freigeben und ein bauchfreies Top, ihren Kopf umhüllen verfilzte lange schwarze Haare, nachlässig von einem Band zusammengefasst, die sie bei jeder Bewegung umschwingen wie der Flügel eines dunklen Vogels.

Sie macht einen Schritt auf Kylie zu und stößt sie mit der Hand an der Schulter, dass Kylie rückwärts stolpert.

„Scheiße, Mann eh," brüllt sie dabei und lacht laut, als Kylie nur mühsam das Gleichgewicht hält. Die anderen Jugendlichen, bis auf den Schlafenden, erscheinen nun auch am obereren Ende des Hauseingangs und gehen langsam auf die Gruppe zu.

Libertas Haus, das SchlossWo Geschichten leben. Entdecke jetzt