Ehrlichstett, Juni 2016

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„Ich habe alles getan, was du verlangt hast, Meister. Sämtliche Vorbereitungen sind getroffen. Sämtliche. Ich erwarte deine Befehle. Denn ich weiß, wenn die Belohnungen verteilt werden, werde ich einer von jenen sein, die von deiner Großzügigkeit profitieren!"

Renfeld läuft im Kreise in seiner Küche immer herum, herum um den Tisch, der in der Mitte steht, immer herum, wieder herum und brabbelt. Brabbelt laut vor sich hin. Mit blitzartiger Geschwindigkeit fängt er eine Fliege, eine von den vielen, die um Essensreste, ungespültes Geschirr und leeren Katzenfutterdosen herumschwirren.


Mirko war da gewesen.

Renfeld war nicht zur Arbeit erscheinen, ungewöhnlich, normalerweise war er immer der erste, der kam und der letzte, der ging. Mirko hatte sofort geahnt, dass da etwas nicht stimmt und war auf sein Fahrrad gesprungen und zu ihm rübergeradelt, zu dem kleinen grauen Haus, um nach dem Rechten zu sehen, ihn zu wecken, falls er verschlafen hatte, ihn abzuholen.


„Renfeld! Rudi! Alles OK?"

Renfeld hält mit dem im Kreis laufen inne und sieht Mirko verwirrt an.Endlich, sein Blick fokussiert.

Eilig läuft er zur Anrichte und holt einen Teller.


„Darf ich Ihnen die Vorspeise anbieten?" Seine Stimme, hoch und fistelnd.Er klingt nach jemand ganz anderen, als er Mirko den Teller entgegenhält auf dem sich tote Fliegen stapeln.

Mirko weicht erschrocken zurück: "Mann Rudi, wach auf! Verdammt. Was ist mit dir?"

Langsam geht er zurück.

Renfelds Blick trübt sich, er nimmt seinen Lauf um den Tisch wieder auf, denTeller noch immer in der Hand: „Das ist sehr nahrhaft," brabbelter nun, während er sich eine Fliege in den Mund schiebt: "Jedes Leben, das ich aufnehme, gibt mir Leben zurück."


„Oh Mann, Rudi, du bist irre! Lass das, verdammt! Lass das! Du kannst doch nicht...!"


„Fliegen sind sehr nahrhaft," brabbelt Renfeld weiter. „Und Spinnen. Spinnen fressen die Fliegen. Und Spatzen, Spatzen auch. Aber ein Kätzchen....!"


Er hält inne, sieht Mirko wieder an, geht einen Schritt auf ihn zu, kniet dann aber auf dem Boden nieder, stellt den Teller vor sich. „Ein Kätzchen. Ein keines geschmeidiges Kätzchen. Das von mir gefüttert wird, das von mir dressiert wird. Oder noch besser..."

Sein fahriger Blick sucht Mirko, der sich langsam rückwärts zur Tür bewegt, ohne Renfeld aus den Augen zu lassen.


„Noch besser eine Katze!"

Renfelds Stimme wird lauter: "Eine ausgewachsene Katze! Ich brauche Leben!"

Er schreit nun.


Mirko macht einen Schritt zurück, zur Tür.


„Ich brauche Leben für den Meister!" Renfeld schreit. Mit einem Satz springt er hoch, hetzt er Mirko nach, der nun in der Tür steht, greift nach ihm. "Für den Meister, der kommen wird!"


Mirko stößt ihn zurück.

„Rudi, Scheiße, verdammte, hör auf! Du bist krank, lass das, du musst ins Krankenhaus, verdammte Scheiße! Verdammte"


Renfeld blinzelt und sieht ihn irritiert an: "Wenn der Meister kommt, wenn der Meister kommt, dann werde ich belohnt. Dann kommt die Belohnung." Er nickt abschließend, wirft Mirko noch einen entschiedenen Blick zu und nimmt sein Wandern um den Tisch wieder auf, schlurfend. Brabbelnd.


Mirko dreht sich um und hastet aus der Tür. Er springt auf sein Fahrrad und spurtet zum Schloss zurück. Der Graf ist nicht da, es ist keiner da. Es fällt ihm nur Dieter ein, also jagt er zum Gartenhaus und findet dort Dieter beim Flicken eines Gatters.
„Dieter, bitte komm!" Er ist den Tränen nahe „Der Rudi, Renfeld, der ist verrückt geworden. Der ist in seiner Küche und rennt im Kreis rum und labert irres Zeug, bitte wir müssen irgendetwas tun!"

Dieter setzt sich zurück und sieht Mirko verständnislos an.

Langsam sammelt sich Mirko. Dieter, der herrliche Frühlingstag, das Vogelsingen und die Pferde und das Gartenhaus, alles so normal und wie immer, langsam kommt er zur Ruhe und kann Dieter die Situation schildern. Desi ist herangetreten und hört zu und Antje, ein Reitgast. Schnell einigen sie sich darauf, dass ein Krankenwagen gerufen werden muss, schnell haben sie den Notruf alarmiert und einen Wagen zu Renfelds Adresse geschickt.


Sie sitzen beim Kaffee zusammen, vor dem Gartenhaus und Mirko erzählt die Geschichte wieder und wieder, wie Renfeld ihm Fliegen angeboten hat, wie er von einer Katze fabuliert hat, vom Meister.

Und sie fragen sich, was wohl werden wird. Wie es wohl weitergeht, mit dem Schloss, wenn Renfeld krank ist. Und wie er wohl weitergeht mit Renfeld.

Und dem Meister.




Libertas Haus, das SchlossWo Geschichten leben. Entdecke jetzt