Der mit dem Einstecktuch fühlt sich unwohl.Nicht wohl. Irgendwie gestört. Irgendwie mulmig.
Er kennt dieses Gefühl, wenn wider Erwarten etwas nicht so läuft, wie geplant. Die Kontrolle bewahren, hat sein Vater immer gesagt, die Kontrolle bewahren, vorausschauend sein . Und still, leise und still im Hintergrund. Die Personen formen und bewegen und verschieben, aber nie die Kontrolle verlieren. Aus dem Hintergrund.
Und er war ein folgsamer Sohn. Immer gewesen.Ein gelehriger folgsamer Sohn. Als damals die Sache so schief ging, mit der Rückübereignung des Schlosses und dieser lästige Journalist in der Vergangenheit rumgewühlt hat und diese ganze Geschichte schief ging.
Da da hatte er auch das Gefühl.
Dieses mulmige.
Dieses, an irgendeinem Punkt die Fäden verloren zu haben. Die Kontrolle verloren zu haben. Und plötzlichaus dem Hintergrund in den Vordergrund geschoben zu werden.
Er schüttelt den Kopf und steht von seinem Schreibtisch auf und geht ans Fenster. Versonnen blickt er hinaus auf die eisige Elbe, die sich grau vor den großen Scheiben entlangschiebt, in weichen, gedämpften Wellen, tonlos, wie dieser ganze Wintertag.
Tonlos, wie seine Welt sein sollte.
Tonlos und unauffällig
Aber wirkungsvoll.
Ärgerlich wendet er sich ab.
Er hat dieses Gefühl.
Irgendetwas geschieht. Und er kann es nicht vorhersehen, nicht formen und bewegen und verschieben. Das gefällt ihm nicht. Er hat keine Lust plötzlich wieder im Rampenlicht zustehen mit irgendeinem Blödsinn.
Vielleicht war der Hülstorff doch keine so gute Wahl, denkt er sich. Der Mann kommt ihm unberechenbar vor, plötzlich, unkontrollierbar, unformbar. Eigentlich hatte er sich Rabena zuliebe um den Kerl gekümmert. Dumme Schwäche, für die arme Frau. Dumm!
Da taucht nun so ein Ermittler auf und wühlt überall herum. Anfragen wegen der Fördermittel die für die Schlosssanierung zugesprochen wurden. Wo kommt das auf einmal alles her, jetzt, so kurz vor der Verjährung? Sehr ärgerlich. Aber alles sicher, denkt er, da ist alles abgesichert, da kann der Kerl sich die Zähne ausbeißen, dieser Ermittler.
Zur Not, zur allergrößten Not lässt er den Hülstorff über die Klinge springen, der ist vielleicht ohnehin nicht haltbar, der Mann. Zu unberechenbar, lässt sich provozieren zu irgendeinem unbedachten Blödsinn.
Wieder steht er auf und tigert unruhig im stillen Zimmer umher. Das mit Karlsruhe, auch das gefällt ihm nicht. Eine Revision ist eigentlich ausgeschlossen, aber er findet das Urteil auch etwas mit der heißen Nadel genäht. Da hätte man ein bisschen mehr Mühe verwenden können. Wenn Karlsruhe die Revision entgegen den Vorgaben des Gerichts zulässt, dann haben die gewonnen. Das wäre, sehr sehr schlecht.
Und er sieht keine Möglichkeit auf Karlsruhe Einfluss zu nehmen.
Grübelnd geht er vor dem großen Schreibtisch auf und ab. Dieses Urteil. Das hätte auch anders laufen können. Den Vertrag für ungültig erklären zu lassen. So ein Blödsinn! Da hätte man doch auch juristisch sauberer arbeiten können. Dann läge das jetzt nicht in Karlsruhe. So ein Blödsinn! Diese ganze Geschichte entwickelt sich zu eine kapitalen Blödsinn an dessen Anfang dieser verflixte Verein steht. Diese renitente Künstlerin. Und wieder dieser Hohlkopf Hülstorff. Das, meint er, das hätte er in allererster Linie lassen sollen, die da auf das Gelände zu holen. Unerschöpfliche Mittel scheint die zu haben, eine verflixte Gelddruckmaschine. Eigentlich müssten die längst pleite sein. Verloren, vergeben. Vergessen, dieser Verein.
Aber nein, das spürt er deutlich. Ein Funke fehlt hier, ein klitzekleiner Funke und die Sache wird zu einem Flächenbrand. Dieses Kunstverbot, im Schlepptau die steigende Bekanntheit des Projekts des Vereins, der Blog, diese David gegen Goliath Geschichte und hier ist wieder dieses Unwohlsein, dieses lähmende Gefühl. Er weiß nicht, wie er das stoppen kann, es formen und bewegen und verschieben. Es passiert, es passiert, wie eine Lawine, die da auf ihn zukommt. Etwas unaufhaltsames. Und er, er will da eigentlich nicht im Wege stehen.Und überrollt werden.Vielleicht ist es Zeit, zu gehen.
Zeit sich zurückzuziehen und die Dinge geschehen zu lassen.
Denn schließlich, Zeit vergeht, das weiß er.
Und Zeit, Zeit spielt immer für den Geduldigen.
Den der zusehen kann.Zusehen und formen und bewegen und verschieben kann.
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Libertas Haus, das Schloss
ParanormalWas bisher geschah: Corinne Haalswor und ihre 16 jährige Tochter Tamara ziehen aus München in den wilden Osten Deutschlands ins Hinterland von Halle/Saale in das kleine Dorf Grömlitz. Hier scheint die Zeit stillzustehen und es finden sich bald all...