Noch immer leuchtete ein warme und helle Sonne. Tamara hat Besuch von Kylie, nach Langem endlich mal wieder. In ihrem Schlepptau Lisa, die schweigsam und teilnahmslos neben ihnen auf den Stufen vom Gartenhaus sitzt. Kylie hat sich ein Eis geholt und leckt nun eifrig die rosa Süßigkeit aus der Waffel, während Lisa nur stumm und irgendwie stumpf die Hauswand anstarrt.
„Was ist den mit ihr?" Tammi flüstert, aber Lisa scheint ohnehin auf keine Außenreize zu reagieren.
Kylie grinst:" Keine Ahnung. Flashback. Weiß nicht, Wir haben da was ausprobiert, gestern, da ist sie irgendwie hängengeblieben. Ist wien Zombie, ne?"
„Hm. Find ich eigentlich nicht lustig!" Tamara sieht Lisa eingehend an, die aber noch immer die Wand anstarrt. Als ob sich dort der Mittelpunkt der Welt befände.
„Ihr solltet da aufpassen, mit den Drogen. Vor allem mit so selbst zusammengemischtem Zeug. Das kann echt auch übel enden."
„Ach, du immer," Kylie steht auf und lacht. „Du hast noch nie Spaß verstanden. Dieser Schnarcher Jakob passt schon zu dir, echt Mann!"„Obwohl," fährt sie fort, „so verdammt schnarchig ist er gar nicht. Musst ma Lisa hören, wenn sie nicht gerade weggetreten ist, der hats ganz schön drauf, echt."
Tamara sieht sie fragend an: „Was meinst du?"
Henry unterbricht die beiden, indem er um die Ecke des Hauses biegt, Hund im Schlepptau und fröhlich unverständliche gurgelnde Laute ausstößt, während er, versponnen in seine eigenen Pläne an ihnen vorbeitoddelt.
„Und dieser Krüppel ständig, echt, Tammi, da hast du dir was andrehen lassen." Kylie setzt sich wieder auf die Stufen und fummelt eine Packung Zigaretten aus der Jackentasche, aus der sie umständlich eine Kippe nimmt und anzündet. Zeitgleich tritt sie mit der Fußspitze Lisa in den gebeugten Rücken und hält ihr, die sich wie in Zeitlupe umdreht, fragend die Zigarettenpackung hin. Zittern und langsam greift Lisa nach der Packung, schüttelt sich eine Zigarette heraus und zündet sie mit flackernder Feuerzeugflamme an. Dann versinkt sie wieder in ihre Starre, die Zigarette verglüht nach dem ersten Zug, ohne weiteres Interesse zu erregen, zwischen ihren Fingern.
Hund hat sich von Henry abgewendet und springt die Treppen hinauf. Neugierig schnüffelt er an Lisas Rücken und streift dabei Kylies Bein, die ihm mit einer blitzschnellen Bewegung einen Tritt versetzt, der ihn jaulend die Stiegen hinabkatapultiert.
„Kylie, Manno ,lass das! Der arme Hund der hat doch nichts getan!" Fährt Tammi auf.
Kylie lacht nun laut:" Mann eh, der wollte Lisa beißen. Und die kann sich nicht wehren. Muss auf sie aufpassen, bis sie wieder klarkommt. Damit Jakob weiter Spaß mit ihr haben kann."
Kylie grinst Tammi an und zieht an ihrer Zigarette, bevor sie sie angeraucht vor sich wirft und mit der Sohle ihres Turnschuhs austritt.„Außerdem hat der sicher Flöhe. Will ich nicht. Krieg ich auch Ärger im Heim, wenn ich sowas anschleppe!"
„Quatsch, Hund hat keine Flöhe! Und sammel deine Kippe auf und wirf sie in den Abfalleimer. Sonst steckt Henry sie in den Mund und wird krank!"
„Ist doch nicht schade um den Krüppel. Spaßbremse! Was glaubst du. Warum Jakob den immer bei dir parkt. Und was er dann macht:" Sie grinst" Frag Lisa, wenn sie wieder ansprechbar ist."
„Ach Kylie, hör auf mit dem Scheiß. Jakob ist mit Dieter auf der Koppel, Zäune nachsehen. Und nachher kommt er hierher. Da ist nichts mit Lisa. Soweit ich weiß hat er sie gar nicht gesehen, außer auf den Feiern dir oder in Grömlitz!"
„Na wie du meinst!" Kylie ist an Lisa herangetreten und bohrt ihr erneut die Schuhspitze in die Seite:" He Alte, aufstehen! Wir gehen. Ist echt öde hier. Nichts mehr los!"
Sie brüllt überlaut, als ob Lisa schwerhörig wäre. Diese reagiert aber wenig, sinkt eher noch mehr in sich zusammen. Kylie sieht Tamara an:" Zu euch kommt ja wohl auch keiner mehr, oder? Seitdem die hier alles sperren und verbieten und die Leute anquatschen, vor allem diedie Kinder haben, da geht ja wohl nichts mehr." Sie lässt den Blick über das Gelände schweifen.
„Nur die, die keinen haben oder zu blöd sind, das zu kapieren, die Behindis und die Irren die kommen noch zu euch." Sie lacht kurz auf. „Mann Tammi, du hast dich echt mit den falschen Leuten eingelassen. Das wird nichts mit deiner Turnierreiterei und all dem. Schau dich mal um. Nichts hier und wieder nichts. Und bald müsst ihr hier raus und was dann? Mann, Mann Tammi, echt schlechte Wahl mit deinem Verein, schlechte Wahl mit deinem Freund mit seinem Krüppelneffen und vor allem mit deiner Mutter, dieser Quatschziege. Was man so hört, ehrlich!"
Sie beugt sich hinunter und rüttelt Lisa an der Schulter, die schließlich mit halb geschlossenen Augen aufsieht und sich mühsam aufrichtet.
„Weißt du was, Kylie?" Tammis Ton ist entschieden: „In Zukunft, wenn du mal den Wunsch hast jemanden grundlos fertig zu machen und ein bisschen übles Zeug zu quatschen, geht doch bitte ma Schloss vorbei. Ich möchte das nicht. Und ich finde auch nicht, dass es ein besonderer Freundschaftsdienst ist, mir all diesen Quark zu erzählen.Behalts also einfach für dich, OK? Wenn du was nettes hast, was erfreuliches, oder was aufbauendes, dann kannst du gerne wiederkommen. Und wenn du hier mithelfen willst auch. Aber mit deinen Gemeinheiten und Lügen, mach dich ab!"
Hund kommt bellend um die Ecke geflitzt, als eine kleine Flamme vor Kylie aufbrennt und sie einen Schritt zurückspringen lässt.
Kylie wendet sich Tamara zu, ihre Augen zu Schlitzen zusammengezogen, ihr Gesicht für einen Moment hasserfüllt: „Warte ab, Tamara Haalswor, warte ab. Die Zeichen stehen nicht gut für dich. Früher oder später wirst du gekrochen kommen und mich anwinseln. Dass ich dir helfe, warte es ab."
Sie zieht die schlaffe Lisa hoch und stützt sei, als die beiden jungen Mädchen den Weg hinunter, am Schloss vorbei nach vorne gehen.
Tränen steigen Tammi gegen ihren Willen in die Augen als sie ihnen nachsieht.
Allein, sie fühlt sich allein, mal wieder.
Allein und ohne Freundin.
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Libertas Haus, das Schloss
ParanormalWas bisher geschah: Corinne Haalswor und ihre 16 jährige Tochter Tamara ziehen aus München in den wilden Osten Deutschlands ins Hinterland von Halle/Saale in das kleine Dorf Grömlitz. Hier scheint die Zeit stillzustehen und es finden sich bald all...