Ehrlichstett, Dezember 2015
„Die lassen uns nicht rein!"
Larissas Stimme klingt schrill durch das kleine Mikro des Handys.„Corinne,ich habe hier Kinder dabei, so geht das nicht. Die Kinder haben Angst!"
„Beruhige dich, Larissa, was ist denn los?" Corinne versucht ruhig und gelassen zu klingen.
Es ist Vereinsweihnachtsfeier. Gerhard, Mandy, Desi, Dieter, Doreen und sie werkeln schon den ganzen Tag in der Küche, um alles vorzubereiten. Es gibt Weihnachtsgänsebraten, selbstgemachte Klöße und Blaukraut für alle. Sie wollen feiern. Sie wollen die weihnachtliche Stimmung, die ungewohnte Ruhe – keine Anzeigen seit bestimmt drei Wochen – feiern und auch mit den Mitgliedern mal wieder zusammensitzen. Und nun ruft Larissa vom Tor aus an. Die eingeladenen Vereinsmitglieder kommen offensichtlich nicht auf das Gelände.
„Ja,"erklärt Larissa nun: " Die haben hier Transparente gemalt und lassen uns nicht rein. Sie stehen vor dem Tor, so vier fünf Leute und sagen, das sei eine illegale Veranstaltung."
„Das ist doch jetzt nicht wahr, oder?" Corinne läuft aus dem Gartenhaus und versucht durch die Dunkelheit nach vorne zum Tor zu sehen. Tatsächlich, man sieht dort eine Gruppe Leute sich bewegen und Lichter. Irgendetwas ist da los.
„Larissa, warte, ich komme nach vorne. Und ich rufe die Polizei!"„Ja, mach das Corinne," Larissas Stimme klingt verärgert. „dass das immer so ein Theater ist hier, egal, was an tut, das nervt wirklich!"
„Ja," bestätigt Corinne und fügt ungewollt scharf hinzu: „Aber erinnere dich, dass wir da nichts dafür können."
„Klar, Corinne, klar!" Larissas Stimme ist schneidend: „Wir warten hier vorne." Sie legt auf.
Corinne verdrängt eine Aufwallung von Ärger und ruft die Notrufnummer der Polizei. Die Zentrale verspricht, nachdem Corinne die Situation geschildert hat, alsbald einen Wagen zu schicken, um die Lage zu klären.
Doreen ist nach draußen gekommen und sieht Corinne fragend an. Sie erklärt den Vorfall und beide Frauen gehen gemeinsam über das Gelände nach vorne zum Tor.
Tatsächlich, hier haben sich fünf ältere Erwachsene, Männer und Frauen, als Kette vor dem Tor aufgebaut, an dem sie ein Transparent aus einem weißen Betttuch befestigt haben, dessen Inschrift Corinne von innen nicht erkennen kann Davor stehen die Vereinsmitglieder, beide Parteien mustern sich grimmig.
„Was ist hier los?" Corinne versucht ihrer Stimme Autorität zuverleihen.
Einer der Blockierer, ein älterer Mann in dickem Parka dreht sich um und sagt „Sie haben hier gar nichts zu sagen. Wir sind die Bevollmächtigten des Schlossherrn. Wir lassen die nicht rein. Das ist Privatbesitz und das ist eine illegale Veranstaltung. Das Gelände wird vom Verein illegal genutzt, zerstört und hier darf jetzt keiner mehr rein."
„Das sehe ich nicht so," sagt Corinne ruhig und so laut, dass es auch die Wartenden verstehen können: „Und ob das stimmt, sollte wohl ein Gericht entscheiden, wie geplant. Was Sie hier veranstalten ist Selbstjustiz! Jedenfalls ist die Polizei informiert," sie wirft den wartenden Vereinsmitgliedern ein beruhigendes Lächeln zu „und es wird sich sicherlich alles alsbald aufklären."
In diesem Moment biegt ein Wagen der örtlichen Polizei mit blinkendem Blaulicht um die Ecke und hält in der Einfahrt. Zwei Beamte steigen aus und gehen zu den Demonstranten. Hier werden nun leise Worte ausgetauscht, die Corinne und Doreen nicht verstehen können. Es scheint eine Weile gemurmelt und getuschelt hin und her zu gehen aber dann steigt einer der Demonstranten auf das Tor und nimmt das Transparent ab. Ohne die Vereinsmitglieder weiter zu beachten, räumen die fünf Demonstranten schweigend das Feld und machen den Weg frei.
Eine der Beamten, eine dicke formlose Polizistin, mustert Corinne mit kleinen Schweinsäuglein unter einer Topffrisur grimmig.
Doreen stößt Corinne mit dem Ellbogen in die Seite und sagt leise: „Das ist diese Polizistin, die schreibt in diesem blog von dem Bonsayh!"
Corinne zieht die Augenbrauen hoch: „Eine Polizistin, die in derBonsayh-Gruppe schreibt? Und nun soll die hier für unsere Sicherheit sorgen?"
„Ja, die schreibt, wie hässlich wir alle sind!"„Wie??"Corinne muss lachen, „Die macht was?"
„Sie schriebt immer darüber, wie hässlich wir sind."
„Das ist jetzt nicht dein Ernst. Die schreiben über unser AUSEHEN? Angeblich sind wir Kinderschänder und Betrüger und Mietnomaden und Tierquäler und was weiß ich nicht noch alles und die interessiert unser AUSSEHEN?"
„Ja,das ist echt ein Problem von der, offensichtlich. Die lästert auch über Tamaras Aussehen und deins und meins und so weiter."
„Also, das ist jetzt aber nicht wahr oder? Die machen eine Gruppe in der sie sich den Kopf über unser Aussehen zerbrechen?"
Doreen kichert,„ja, machen sie. Und das, wenn sie dabei so aussehen, wie die da," Sie deutet mit dem Kinn auf die unförmige Figur der Polizistin, das volle Gesicht, dessen feiste Wangen den Hals herabhängen und die unvorteilhafte Frisur.Corinne muss wider Willen grinsen,
„Lass das Doreen, du bist um keinen Deut besser als die!"
Aber es tut gut. Es tut gut, den Verhetzern und Verleumdern mal in die Augen zu blicken, und es tut gut, über sie zu lachen. Auch ein bisschen zu lachen über die Situation. Angeblich begeht der Verein die schlimmsten Straftaten und im Internet macht man sich Gedanken über ihr Aussehen.
Ein Rabe krächzt von einem kahlen Ast hinter ihnen.
Und selbst das klingt wie ein Lachen.
Sie gehen dann alle nach hinten. Larissa hat sich wieder beruhigt und es gelingt ihnen, doch noch eine schöne friedliche stimmungsvolle Feier zu veranstalten. Sie lachen, sie tauschen Geschenke aus und Gerhard hält eine Rede, in der er den Vereinsmitgliedern für ihre Unterstützung dankt.
Ab ein Missklang bleibt. In all dem Lachen und dem Feiern bleibt ein Missklang.Und den, den spüren sie wohl.
Gerhard, Corinne und Mandy, Tamara, Desi und Dieter.
Was das neue Jahr wohl bringen wird? Was das neue Jahr wohl für sie alle bereithalten wird?
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Libertas Haus, das Schloss
ÜbernatürlichesWas bisher geschah: Corinne Haalswor und ihre 16 jährige Tochter Tamara ziehen aus München in den wilden Osten Deutschlands ins Hinterland von Halle/Saale in das kleine Dorf Grömlitz. Hier scheint die Zeit stillzustehen und es finden sich bald all...