Ehrlichstett, Januar 2017

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Cindy fühlt sich leer.

Komisch.

Sie haben gewonnen. Sie sollten jubeln und singen und ein Fest veranstalten, sie, die Stiftung, das Schloss, der Graf, Rabena und Schmilewski.

Doch komischerweise ist keinem danach zu Mute.

Komisch.


Langsam geht sie durch den Hof auf die Haustür zu.

Dieser Hof ist noch immer schäbig, denkt sie. Noch immer alt und man müsste mal renovieren und alles ein wenig heller machen, die dunklen Winterabende zeigen die ganze Schäbigkeit noch deutlicher. Seitdem Schmilewski die Rationen für die Pferde zusammengestrichen hat und abends nicht mehr füttert, sind drei weitere Einsteller gegangen und sie haben nun nur noch vier Pferde am Hof. Ach, denkt sie, nicht schlimm. Wenn der Verein jetzt das Schloss verlässt und sie die dortigen Anlagen übernehmen, dann kommen die schon wieder, die Einsteller. Vielleicht kann man den Einstellern die dort sind, auch ein Angebot machen. Dann können die bei ihnen bleiben, es ändert sich für die nichts und die sind wahrscheinlich sogar noch dankbar.

Trotzdem komisch, denkt sie, als sie schwer einen Schritt vor den nächsten setzt. Trotzdem komisch.

Sie sollte voller Tatendrang sein, und es anpacken. Das ist, was sie gut kann, organisieren, planen, den Umzug, die Übernahme des Stalles am Schloss, die Veranstaltungen, die sie dann dort machen werden, aber, sie fühlt sich sonderbar kraftlos. Sonderbar matt.

Langsam tastet sie nach dem Schloss der Haustür. Sie muss ein bisschen suchen, denn im trüben Licht findet sie es nicht sofort. Ihre Finger sind klamm und kalt und das Schloss schließt schlecht.


Ein Baby, denkt sie plötzlich. Vielleicht wäre das die Lösung.

Aber mit Schmilewski?


Eigentlich hat ihr das immer gefallen, die vielen Kinder am Schloss, die da zum Verein kommen. Aber so eine Ahnung sagt ihr, dass da so nicht weitergehen kann. Der Graf wird das nicht wollen und der mit dem Einstecktuch auch nicht. Unwillkürlich schüttelt sie den Kopf, der möchte da seine Ruhe. „Wenn einen Reitbetrieb, dann klein und gediegen und vornehm und nicht so ein Remmidemmi", hört sie ihn förmlich in ihrem Kopf.

Schade denkt sie als sie endlich die Haustüre aufbekommen hat und ihre Schuhe im Flur abstreift.
Dünnes blaues Licht fließt aus der angelehnten Wohnzimmertür. Schmilewski ist also da.

Sie hängt ihren Mantel an den Haken der Garderobe und tappt auf Socken ins Wohnzimmer. Dicke überheizte Luft löst hier die Kälte im Flur ab, für einem Moment hält sie vor Überdruss den Atem an. Unaufgeräumt, wie immer. Schäbig, mit einem Wort: schäbig.

Schmilewski sitzt auf dem Sofa, in fleckigen Jogginghosen, eine Socke hat ein Loch, sein Pullover ist nicht mehr sauber. Er sieht sich Bilder auf dem Laptop an, irgendwelche Kinder, eine kleine Blonde, sonnengebräunte glatte nackte Haut, das lange Haar, das sie umhüllt, das ist doch...

Ungläubig kommt sie näher.


„Was sind das für Bilder?" Fragt sie.


„Hat mir der Bonsayh geschickt, schön oder? Sind so Kinderaufnahmen, ist Kunst."


„Wie – Kunst?"


„Na, ja sieht man doch. Sind so Kunstbilder von Kindern, Kunst eben."


Ungläubig schüttelt sie den Kopf.

„Du siehst dir Kinder an, ich meine solche Bilder, das..," sie sucht nach Worten;" das ist doch illegal."


Überrascht sieht er auf: „Ne, das ist doch nicht illegal. Das ist Kunst, sag ich doch. Kostet auch bisschen was, aber der Bonsayh hat da immer neue. Die kann man da kaufen, ist völlig legal Und ist doch schön,oder?"
Er hebt den Kopf und sieht sie an.


Unwillkürlich weicht sie zurück.

Sein Grinsen, dieses Schmierige, diese ganze Atmosphäre, dieses Wohnzimmer, diese Bilder und Schmilewski, Schmilewski, sie tritt noch einen Schritt zurück. Die heiße, schwüle Luft in diesem Raum nimmt ihr den Atem.

Sie kann... sie will nicht....


Langsam weicht sie zur Zimmertür zurück.

Eben hat sie noch von einem Kind geträumt. Einem Baby.

Plötzlich schüttelt ein Ekel sie. Sie wollte ein Baby von Schmilewski, hier ein Kind großziehen und plötzlich wird ihr ihre Illusion bewusst, alles, die Hoffnungslosigkeit ihrer Träume. Die Hoffnungslosigkeit aller Zukunft, alles bewusst.

„Schmilewski," sagt sie tonlos." das ist illegal. Du solltest dir das nicht kaufen. Nicht haben, nicht ansehen. Das ist gefährlich, das..."
Sie bricht ab.


Er hat sich wieder dem Bildschirm zugewandt: „Ach Quatsch, mach dich mal nicht so wichtig. Das ist eine sichre Quelle und die kommt aus der Stiftung. Und du wolltest das doch unbedingt. Dass sich da mitmache. Also sei jetzt ruhig mit diesem Unsinn. Wer sollte sich schon daran stören?"


„Ich weiß nicht. Ich bin sicher , dass das illegal ist. Überallkriecht die Kripo rum seit diesem Autounfall bei dem Heile Welt Verein, ich weiß nicht, ob das so sicher ist, da jetzt mit solchen Bildern. Und dieser sonderbare Ermittler, der neuerdings ums Schloss herumschleicht, immer im Anzug der Typ, keiner weiß, was der will. Das macht mir Angst..." wieder bricht sie ab. „Schmilewski, bitte," Ihre Stimme ist leise geworden, blass und leise.


Aber er hört nicht mehr zu. Er ignoriert sie, als sie den Rum verlässt und die Tür leise hinter sich schließt.
Leise die Treppe hinaufgeht ins Schlafzimmer. Sich aufs Bett legt und nur noch weinen kann. Raue heftige Schluchzer sie erschüttern, sie nicht mehr atmen lassen, ihre Brust fast zersprengen.
Sie haben gewonnen, sie haben gewonnen und sie will nun ihre Träume verwirklichen.

Jetzt endlich, endlich, wird sie ihre Träume verwirklichen.

DerT ag wird kommen.

Der Tag ist da.

Jetzt.





Libertas Haus, das SchlossWo Geschichten leben. Entdecke jetzt