Ehrlichstett, Dezember 2015

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Harald Bonsayh verlässt seinen Wohnwagen nur noch selten. Er braucht das nicht. Er muss nicht mehr hinaus, er hat die Welt hier, die Welt und alles Wichtige ist hier hier auf seinem Rechner.

Er ist ein Spion, ein Söldner der guten Sache.

Harald Bonsayh hat sich dem Guten, dem Richtigen verschrieben, er macht es auch ohne Lohn, ohne Verdienst als dem, der Ehre verspricht.

Die Kleene braucht er nicht mehr, als Anreiz, sie muss ihn nicht mehr führen, er hat gesehen, verstanden, er wird gebraucht, ohne ihn geht es nicht mehr. Er ist ein Maulwurf, mit dem Auftrag, die Machenschaften der Verräter aufzudecken. Er sucht, er findet, er speichert auf seiner Festplatte top-secret Informationen. Wenn er erwischt würde, würde er gefoltert, damit er die Informationen rausrückt, so wichtig sind sie und nur er hat sie. Aber er sagt kein Wort, sein Schweigen ist größer als er selbst. Und wenn man ihn an einen Lügendetektor anschließt, er sagt nichts, er schwiegt, nichts hört man von ihm. Und wenn es schief geht, wenn etwas schief geht, wenn einer zahlen muss, die Zeche, dann war ers nicht, dann war er nur...ein Mitläufer.


Die Kleene, er seufzt, die kann ihn mal, am liebsten wär er sie los. Aber er weiß nicht, wie ers machen soll, wo hin mit der. Die kommt und geht, manchmal bringt sie ihre versoffenen Freunde mit, die hängen dann draußen rum in der Halle, saufen, hören Musik und verschwinden wieder, der Himmel weiß, wohin. Was er von der mal wollte? Es schüttelt ihn. Wie er sich der ausgeliefert hat! Was für ein Fehler, das blöde Wanst, es gibt weit Wichtigeres im Leben, als solche blöden Blagen.


Auch Darya, er lächelt, auch bei der war er lange nicht. Das Netz, das liefert ihm alles, was er braucht.

Ein Video öffnet sich, drei junge Mädchen, barfuß, die einen Hundewelpen tot treten. Langsam, genüsslich, stoßen ihn mit den sexy Füßen von einer zur anderen und das Tierchen versucht zu entkommen, will wegrennen, aber die Füße sind überall und treten ihn zurück.

Wie dieser Verein denkt er, wie dieser Verein.

Und er spürt, wie das Video ihm gefällt. Es gefällt ihm, seine Erregung gefällt ihm und seine Macht. Er hat Macht über diesen Verein.

Er wird hart, sein Atem schneller, Macht über das Leben von diesen Leuten, wie die bloßen Füße der Kinder Macht über das Leben von diesem Hundewelpen haben. Der Welpe überlebt den Film nicht.

Er grinst und legt die Hände zurück auf die Tischplatte.

Der Verein wird auch nicht überleben.

Zufriedenheit, tiefe Genugtuung breitet sich in ihm aus.


Er steht auf und holt sich ein Bier aus dem Kühlschrank, das er öffnet. Er setzt den kalten Flaschenhals an die erhitzten Lippen und trinkt einen ersten tiefen schäumenden Zug.

Er lässt sich wieder hinter den Schreibtisch sinken.

Er lässt seine Gedanken schweifen: Thomas, sein Großer, sein Erstgeborener. Da hat er doch was richtig gemacht. So ein Prachtkerl! Er war immer schon stolz auf den Jungen. War schon immer ein ganzer Kerl, nicht so eine Schwuchtel, wie Gabriel, war ein geborener Führer, ganz der Vater, ein dominanter, einer der sich nix vormachen lässt!

Auch wenn er sich zurückgezogen hatte, als dieser ganze Ärger wegen Gabriel war. Sie hatten ihn zu Verwandten gebracht, als die Wogen hochschlugen und als er zurückkam, da hatte er merklich Distanz zum Vater, war ihm ausgewichen, konnte er nichts machen. Nicht, dass er nicht das Gespräch gesucht hätte zu dem Jungen, versucht ihn zu bestärken, und für ihn da zu sein aber da war immer so eine Distanz gewesen.

Und dann war der Junge groß geworden und hatte die Schule fertig gehabt, studiert, schlaues Kerlchen und ausgezogen Sie hatten wenig Kontakt gehabt die letzten Jahre. Mehr mit Sylvia, da hat er schon Angst gekriegt, dass der Junge auch so ein Weichei wird, schade eigentlich. Aber um so besser, als das jetzt da alles losging mit dem Schloss und seiner Initiative und dem Verein, da war Thomas plötzlich dagewesen, hatte sich beteiligt, war im Internet in die Bresche gesprungen und stand plötzlich an seiner Seite. Blut war eben doch dicker als Wasser. Bonsayh eins und zwei, geschlossen Seite an Seite für das Gute.
Und er hatte große Pläne, große Pläne für Thomas in der Organisation. Thomas würde sein Thronfolger sein, sein Geschoss, sein Schütze und sein Königssohn. Und wenn, man wisse ja nie, der Graf wurde hinfälliger und hinfälliger, irrer und irrer könnte man auch sagen, niemand weiß ja, wie das mit dem Schloss weitergeht, also, dann wären sie da, Thomas und er. Pläne und Konzepte hätten sie genug, das Ganze zum Blühen zu bringen. Denn ob das mit dem Grafen noch so lange gut ging...?


Unwillig schüttelt er mit dem Kopf. Das sind Gedanken von morgen, ermahnt er sich. Heute, ja heute war der Krieg. Der Krieg mit diesem Verein, der erst einmal gewonnen werden musste.


Als sie neulich beim Bier saßen, Vater und Sohn, da hatte Thomas ihm gestanden, dass er heiraten wollte. Nicht, dass das an sich eine große Überraschung gewesen wäre, lebte er doch schon lange mit Kristin zusammen. Aber jetzt heiraten, das würde auch Sylvia freuen. Eine ganz große Feier sollte es werden. Alle die Beine haben, ganz Ehrlichstett, alle sollen kommen. Und wo würde gefeiert? Da kann es nur einen Ort geben!! Das Schloss... und der Graf, der schuldete ihm ja wohl einiges!

Also würde er das klarmachen.

Nächstes Jahr im Frühling. Eine große Hochzeit auf Schoss Ehrlichstett!

Und, wenn alles gut ging, eine große Siegesfeier! Und, wer wusste denn schon, vielleicht noch mehr, vielleicht noch darüber hinaus, ein neuer Schlossherr!!

Er setzt die Bierflasche erneut an und sprudelnder Schaum ergießt sich über seine Unterlippe in seinen Kragen.

Das merkt er nicht.

Zu süß sind seine Pläne, zu süß seine Träume.



Libertas Haus, das SchlossWo Geschichten leben. Entdecke jetzt