Ehrlichstett, Juni 2016

2 0 0
                                    




Sie haben sich durch Zufall getroffen, mal wieder durch Zufall am See, mal wieder eines dieser beiläufigen Treffen.


Tamara ist auf dem Heimweg, sie war den Nachmittag am Strand gelegen, ihre Haut riecht nun nach Sommer und Seewasser, sie ist angenehm müde und entspannt, als sie von hinten Schritte hört und dann Devon an ihrer Seite auftaucht.


„He!" Er lächelt, dieses unwiderstehliche Devonlächeln, das ihr das Herzunruhig  schlagen lässt.


„He!"Sie seht ihn an. Unverbindlich. Geht dann weiter die Straße hinunter.

Er passt seine Schritte den ihren an und legt den Arm um ihre Schulter.

Sie spürt, wie sie verkrampft. Abrupt bleibt sie stehen und sieht ihn an:
„ Ich will keine Beziehung mit dir. Nur falls du vorhast da jetzt wieder mit diesem Romatikkram anzufangen. Damit wir uns nicht falsch verstehen."


Devon sieht sie belustigt an: „Ich hatte nicht vor, dir einen Heiratsantrag zu machen."


„Ja, ich weiß. Ich will aber auch nichts von dem anderen. Kein Verknalltsein, keine langen Blicke nichts Liebe und so."


„Chill mal!"


„Wenn wir uns nicht falsch verstehen, chille ich total!"


„Wir verstehen uns nicht falsch."


„Ich will eigentlich nur Sex mit dir."


Devon lacht auf: "Und das andere hast du nicht gern mit mir?"


„Nein, weiß nicht, eigentlich nicht. Aber ich weiß doch, wie das läuft: Wir fangen da wieder etwas an und in ein paar Wochen sind wir aus Versehen zusammen, weil wir es irgendwie nicht gemerkt haben."


„Du bist aber drauf!"


„Ich will keine Ausversehenbeziehung. Und auch sonst keine Beziehung. Ich will nichts außer Sex von dir."


„Und Jakob?"


„Was ist mit ihm?"


„War das auch eine Ausversehenbeziehung?"


„Ich will auch nicht mit dir über Jakob reden."


Devon sieht nicht besonders glücklich aus.

Er tut ihr plötzlich leid. Obwohl er ihr noch nie leid getan hat.

Sie verspürt den Drang etwas von dem Gesagten zurückzunehmen, eine Entschuldigung vorzubringen, es sei ganz schön viel für sie im Moment, ihre Mutter, die Kunstklage, die irre Klapsmanngruppe, die sie im Internet stalkt, der Stress mit dem blog, das Studium.

Aber sie beißt sich auf die Zunge und sagt nichts. Langsam geht sie wieder los.

Sie hört, wie Devon ihr mit wenigen Schritten Abstand folgt.


Plötzlich fängt es an zu regnen, nein, zu gießen.

Devon geht, ohne ein Wort, er überquert die Straße, die matt im Regen glänzt und in deren Schlaglöchern sich kleine Pfützen gebildet haben. Er schaut sich nach Autos um. Sie sieht sein Profil, sie sieht seine Muskeln in dem weißen Tanktop, das schmale Becken in den nassen Jeans.


Sie

lehntsich an eine Hauswand unter ein schmales Dach und sieht ihm nach, bis er hinter der nächsten Häuserecke verschwunden ist, ohne sich noch einmal umzudrehen.

Sie denkt: Genauso werde ich diesen Moment mal in meiner Erinnerung sehen. Ich werde mich an eine junge Frau erinnern, die im Sommerregen steht und einem jungen Mann hinterhersieht, dem sie gerade gesagt hat, dass sie keine Liebe für ihn empfindet, zu mindestnicht von der Sorte, die er erwartet. Ich werde daran denken, wie wahnsinnig allein und wie wahnsinnig stark ich mich in diesem Moment gefühlt habe. Wie mir bewusst wurde, welche Macht ein Mensch über einen anderen Menschen haben kann. Und wie seltsam es mir vorkam, dass ich im Besitz dieser Macht war und dass ich überhaupt wusste, sie anzuwenden.



Libertas Haus, das SchlossWo Geschichten leben. Entdecke jetzt