RechtsanwaltBlatter hat Kopfschmerzen. Seine Stirn pocht, eine überirdischeKraft drückt seine Schläfen zusammen, vernünftige Gedanken sindnicht mehr möglich Alles dreht sich.
Gleichkommt dieser Graf, diese unsägliche Geschichte. Er hat kein gutesGefühl mehr dabei. Sie haben verloren, mehrere Scharmützel, aberverloren. Die Presse dreht sich. Am Anfang waren alle für ihreSache, aber nun fängt man an, den Verein wahrzunehmen und anzuhören.Das dauert zu lange. Was ein Blitzkrieg sein sollte, ist zumStellungskrieg ausgewachsen.
AmLiebsten würde er sich da hinausschleichen, wenn es denn ginge, ausdieser Geschichte.
Erhat so eine Vorahnung.
Dasssie verlieren werden. Das Ganze.
DieserGraf, der macht ihn wahnsinnig. Tägliche Mails. Je mehr sich allesgegen sie dreht, desto mehr schreibt dieser Mensch. Und in der einenMail widerruft er die Inhalte der vorigen und inzwischen weißniemand mehr, wer eigentlich was, wann getan oder unterlassen hat.
Dasist ihre einzige Chance, denkt er. Ihre einzige Chance vor Gericht.Diese Verwirrung. Wer hat eigentlich was wann gemacht? Und mit einbisschen Glück verliert der Richter ebenso den Überblick und mogeltsich mit einem netten Vergleich aus der Sache.
Blatterstützt die Stirn in die Hände. Er spürt den kleinen Blutfaden ausder Nase rinnen und wischt ihn mit einer unwilligen Handbewegungfort. Sein Stumpf schmerzt wie verrückt. Ein schlechtes Zeichen, denkt er, ein wirklich schlechtes Zeichen.
Werhätte das gedacht, dass dieser verdammte kleine Gutmenschenvereinsich so lange hält? Das ist wie Hexerei, fast ist er geneigt, demGrafen zu glauben. Das geht nicht mit rechten Dingen zu. So einkleiner Haufen, der müsste längst weggefegt sein unter dem Druckall dieser Anzeigen und Verleumdungen, Verfügungen und Prozesse.Aber irgendwie rappeln die sich immer wieder hoch und gewinnen. Siehaben einen verdammt guten Anwalt, dieser Zimmermann, ein richtigerAnwalt, denkt Blatter missvergnügt. Sachlich, überlegt, demgelingt es das ganze Chaos zu entwirren und dabei
einen kühlen Kopf zubewahren. Und der Schneider, dieser verflixte Vereinsvorsitzende. Hatseine Leute im Griff. Die gehen auf nichts ein. Lassen sich nichtprovozieren, stehen immer da mit ihrem Unschuldslächeln und ihrenPonys und lassen sich alles gefallen.
Nein,denkt er die Bilanz sieht nicht gut aus, vor Gericht, gar nicht gut.
Dashat zu lange gedauert, das ist das Problem. Wenn sie das gewussthätten, dass die so lange durchhalten. Dann hätten sie eine andereStrategie gefahren. Weg damit und gleich weg, da hätte es Methodengegeben.
VonHülstorff unterbricht seine trüben Gedanken, als er mit hektischemSchritt, ohne zuvor anzuklopfen, das Büro betritt. In einer einzigeBewegung zieht er sich einen Stuhl vor den Schreibtisch und lässtein riesiges Bündel ungeordneter Zettel auf denselben flattern.
„Wirhaben sie," sagt er und seine hellen Augen strahlen Blatter an. Aufseiner Oberlippe steht ein glänzender Schweißfilm, sein Pulloverist alt und fleckig, er ist schlecht rasiert, graue Altmännerstoppelnzieren in unregelmäßigen Mustern seine hageren Wangen. Auch einFriseurbesuch vor dem Gerichtstermin, ist Blatter versuchtanzumerken, auch ein Friseurbesuch wäre angeraten, um seinenMandanten nicht wie einen völlig aufgelösten Wahnsinnigenerscheinen zu lassen.
Aberer spart sich die Worte. Er hört zu und versucht das Beste draus zumachen. So viel hat er gelernt. Dagegen reden bringt nichts, eigeneIdeen bringen nichts, Erklärungsnotstand bringt nichts.Schadensbegrenzung....bringt nichts. Augen zu und durch.
Erwischt sich erneut die Nase und greift nach dem Zettelhaufen.
„Washaben wir denn?" Fragt er, „Neuigkeiten?"
„Ja,"Hülstorffs Augen blitzen und leuchten. Er springt auf und durchmisstmit großen Schritten das kleine Zimmer, als wüsste er nicht wohin,mit seiner Energie.
„Hierist die schriftliche Aussage meiner Frau: Sie war bei allenVorgesprächen dabei und kann bestätigen, dass es keinenPachtvertrag mit dem Verein gibt und nur Absprachen mit FrauHaalswor, die diese gebrochen hat. Vorsätzlich, betrügerisch! Dalesen Sie!"
Erdeutet auf die Zettel „Von einem Verein und von so vielen Pferdenwar nie die Rede. Der ganze Pachtvertrag eine Fälschung von diesemVerein. Die Haalswor sollte nur fünf Pferde einstellen und dabeiauch noch für das Schloss sorgen, dort putzen und so. So war dasabgesprochen. Meine Frau kann es bestätigen. Und von einem Vereinwar nie die Rede. Betrug ist das. Damit bringen wir sie in den Knast,Betrug und nichts als Betrug. Betrug am Retter des Schlosses. Betrugan der ehrwürdigen Eignerfamilie, die seit Jahren versucht, dasSchloss zurückzuerhalten, Betrug an der guten und rechtmäßigenSache, dieses miese Rattenpack, Betrügerpack! Weiß nicht mal, ob esdiesen Verein überhaupt gibt oder ob das nicht auch so einHirngespinst ist. Betrügerisches."
Erjubelt das letzte Wort fast und lässt sich auf den bereitgestelltenStuhl fallen.
„LesenSie!" Er schiebt weitere der zerknüllten Zettel rüber. „LesenSie, da steht es schwarz auf weiß. Und damit haben wir sie. DiesesRattenpack!"
Blatterschwiegt.
Mitder verbleibenden Hand reibt er sich über den Stumpf. Dann nimmt ereinige aus dem Zettelhaufen und glättet sie.
„Malsehen," sagt langsam.
„SchreibenSie, schrieben Sie noch etwas ans Gericht!" Mahnt Hülstorff. „Dasmuss eine ganz neue Wendung nehmen. Schreiben Sie noch an dasGericht! Und am besten gleich an die Presse! Verbrecher, Betrügerschrieben Sie!"
„Herrvon Hülstorff, der Prozess ist in zehn Tagen, da kann ich jetztkeinen Schriftsatz mehr einreichen. Das ist zu spät. Das wird nichtmehr berücksichtigt!"
„Papperlapapp!Das ist ein Notfall, das müssen die berücksichtigen. Also schreibenSie gefälligst. Und schicken Sie das noch heute los!"
„Natürlich!"Blatter seufzt resigniert. „Darf ich in dem Zusammenhang daranerinnern, dass meine letzte Rechnung noch nicht bezahlt ist?"
„Papperlapapp. Machen Sie sich da mal nicht das Köpfchen heiß! Diezahlt der Verein, wenn wir den Prozess gewinnen, dann zahlt das derVerein. Sie werden schon sehen. Und eine Prämie gibts auch nochdazu, so wahr ich hier stehe. Kriegen Sie die vor Ende des Jahresraus, dann zahle ich Ihnen noch eine Prämie. Mein Ehrenwort, Blatter,mein Ehrenwort."
Seufzendzieht Blatter auch die restlichen Papiere vor sich. Langsam fängt eran die Notizen zu ordnen. Was soll es schon, denkt er, dann schreibter eben. Er wird schreiben. Und er wird gewinnen, natürlich, Wiesoll es auch sonst gehen? Wie sonst?
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Libertas Haus, das Schloss
ParanormalWas bisher geschah: Corinne Haalswor und ihre 16 jährige Tochter Tamara ziehen aus München in den wilden Osten Deutschlands ins Hinterland von Halle/Saale in das kleine Dorf Grömlitz. Hier scheint die Zeit stillzustehen und es finden sich bald all...