Ehrlichstett, August 2015
Amtsleiter Udo Gammmelhieb atmet schwer. Neuerdings hasst er sein Leben. Er hasst den Sommer, er hasst das knauserige Amt, das noch nicht einmal eine vernünftige Klimaanlage zur Verfügung stellt, die ihm ermöglicht einen Tag im Büro zu verbringen, ohne seine Hemden nasszuschwitzen. Er hasst das Telefon, das gerade klingelt:
„Umweltamt, Gammelhieb?"
„Aus der Domstadt, ein wichtiger Anruf, Regierung, sind Sie zu sprechen?"Seine Sekretärin klingt atemlos, aufgeregt.
Ich wünsche mir ein Leben, in dem mich Anrufe aus der Domstadt auch in freudige Aufregung versetzen, denkt er resigniert.
„Natürlich,"sagt er mit tonloser Stimme. Natürlich ist er zu sprechen. Wie auch sonst? Wo war eigentlich der ruhige Posten hin, auf dem er sich bis zur Rente parken wollte. Was war eigentlich aus den Sommerlöchern geworden, die sich mit ein bisschen Eiskaffee und dem Studium der Zeitung am Schreibtisch aushalten ließen? Es ging bestimmt wieder um diesen verdammten Pony-Verein, der ihm inzwischen schon einen Anwalt wegen dieser Mistverordnung auf den Hals gehetzt hatte. Ja klar, man hatte das ein bisschen großzügig ausgelegt, aber die Gesetze gaben das her. Und nun, was war daraus geworden. Ein Haufen Arbeit, Arbeit, Arbeit Er hatte noch versucht, die mit irrsinnigen schwindelerregenden Strafzahlungen davon abzuhalten, sich zu wehren, aber da hätte man auch versuchen können, einen Haufen wütender Wespen mit tibetischen Gesängen milde zu stimmen.Man musste die doch irgendwie mundtot kriegen: Dieses ewige Beharren darauf, diese Bauschuttsache mit dem Schlossteich in Ehrlichstett wieder auszugraben.Nein, da war er nicht für zu haben. Er hatte das gemacht, nach Vorschrift und die Akte war sauber, Nicht nur, das man das auch von oben nicht wollte, dass da eine Menge Staub aufgewirbelt würde, auch ihm war nicht daran gelegen, da rumzuwühlen. Er hatte auch keine Lust darauf, das sich da die Presse draufstürzt. Elendigliche Sache, einfach elendiglich!
Und es nahm kein Ende. Hauptstadt, das verhieß nichts Gutes. Hauptstadt das verhieß leider auch nur diese Affaire, mit der er nichts, aber auch gar nichts zu tun haben wollte.
Fünf Minuten später wusste er mehr. Und er hatte sich nicht getäuscht. Es war wieder dieser Verein und wieder Schloss Ehrlichstett. Jetzt hatten sie etwas Neues aufgetan: Waldschutzverordnung. Er sollte sich da schlau machen, ein Vorort Termin, eine Begehung die mit einer Anzeige enden musste, die Pferde zerstören dort die Bäume und verspeisen den Wald.
Ob die Pferde denn nicht im Schlosspark stünden, fragt er in der bangen Hoffnung, der Kelch möge an ihm vorübergehen und ihm doch noch einen ruhigen Sommer bescheren.
Vergebens: Unsinn, die scharfe Antwort. Da sei vielleicht einmal Schlosspark gewesen dass sei jetzt eindeutig Wald, ob es sich seinen Job erklären lassen müsse. Und das Beweiden im Wald sei verboten. Also solle er doch mal zügig auf die Einhaltung der Verbote achten und die Pferde dort rausschmeißen. Am besten von dem ganze Gelände, weg mit den Viechern, machen nur alles kaputt und richten irreparablen Schaden an.
Er seufzt. Ob man sich das gut überlegt habe. Wenn er nun das alles von Amts wegen zu Wald erklären lassen würde, dann sei das erst einmal Wald. Man könne da wohl die Pferde rausschmeißen, aber was dann? Dann dürfe man das nie mehr nutzen und die Idee vom netten Schlosspark könne man vergessen. Wenn das Wald sei, dann muss man das zuwachsen lassen naturnah und rural, ob das denn klar sei.
„Für immer" und „nie" seien weite Begriffe, kam die klare Antwort und wenn die Pferde erst mal raus seien und der Schlosspark seinem wahren Besitzer zugeführt sei, dann werde man schon sehen. Er solle sich mal keinen Kopf zerbrechen, er solle sich auf die nächsten Schritte konzentrieren und die durchführen, den Rest werde er dann schon sehen.
Das Gespräch zu Ende und er mal wieder hier, mit dem schwarzen Peter. Wunderbar! Er brauchte die Kohl, die Kohl hasste die, wie die Pest, seit dieser Aufsichtsbeschwerde. Die würde er dahinschicken, die liebte es, sich da herumzuzanken. Es reicht doch, wenn er alles unterschreibt. Die Kohl soll an die Front. Die Marschrichtung ist klar, alles Wald, alles verbieten, Pferde da raus und weg.
Aufseufzend nimmt er den Telefonhörer wieder zur Hand.
Die Zeitung und der kalt gewordene Kaffee liegen an der Seite des Schreibtisches, weg, weit weg, in schier unerreichbarer Ferne.
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Libertas Haus, das Schloss
ParanormalWas bisher geschah: Corinne Haalswor und ihre 16 jährige Tochter Tamara ziehen aus München in den wilden Osten Deutschlands ins Hinterland von Halle/Saale in das kleine Dorf Grömlitz. Hier scheint die Zeit stillzustehen und es finden sich bald all...