Ehrlichstett, April 2015

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Dieter wirft noch einen prüfenden Blick um sich herum und verschwindet dann in der Werkstatt der Mitarbeiter des Schlosses, auf eine Kippe und einen Kaffee.

Nicht, dass es ein Problem damit gibt, wenn er mit den Schlossmitarbeitern raucht, keiner hat etwas dagegen, außer vielleicht der Graf, und daher tut er es nicht, wenn er da ist. Außerdem hat der Graf ohnehin ein Problem mit Arbeitspausen und daher gibt es allenfalls die allergesetzlichst vorgeschriebenen, wenn er da ist und die ohne Klatsch und Tratsch und Gelächter, sondern nur in stummer Anbetung des Herrn. Und darauf hat Dieter ohnehin keine Lust.

Nein, es ist wegen Desi. Er liebt Desi, er hat sie gesehen und er wusste, dass er diese Frau heiraten wird, noch ehe das Jahr um ist. Dieter neigt eher weniger zu entschiedenen Reaktionen und nimmt das Leben gerne so, wie es kommt, aber mit Desi, das weiß er, da wächst er über sich hinaus. Desi ist....ein Wirbelwind. Sie scheint keine Müdigkeit zu kennen, keine Ermattung, nicht die Schönheit von Pausen und im Gras liegen und eine Zigarette rauchen. Nun, sie raucht nicht, aber daran liegt es nicht. Sie ist so voller Lebensenergie, dass jede Art von Mattigkeit und Müdigkeit einfach nicht teil ihrer Art sind. Und wenn Dieter auf eine Kippe in die Werkstatt verschwindet, dann weiß sie, weiß er, wissen alle, dass er unter einer Stunde nicht wieder herauskommt. Aber warum auch nicht, es ist lustig da drin. Dieter mag die Schlossmitarbeiter, außer den eigenbrötlerischen Renfeld, der schaudert ihn schon manchmal über den Rücken, mit seinem Silberblick und seinem Sabbergeschwafel, aber mit Mirko, hatte er sich richtig angefreundet, die beiden Männer haben denselben Humor und genießen dieselben Dinge, Rauchen eine Pause, etwas Gemütlichkeit im Leben und wenn noch ein gutes Bier dazukommt, dann sagen sie beide nicht nein.

Dieters Augen haben sich eben an das Dämmerlicht in der staubigen Werkstatt gewöhnt als er schon Mirkos spottende Stimme hört:

„Mensch, Dieter, auch mal wieder da. Lassen deine Frauen dich vom Haken? Jetzt wo ihr alle gekündigt seid und Hausverbot habt."


„Ha,Ha" schnaufend lässt Dieter sich auf einen dreibeinigen Polstersessel fallen, dessen viertes Bein ein leeres Bierfässchen ersetzt und der bedrohlich unter dem Gewicht des großen Mannes ächzt.

„Und, was macht die Liebe?" Mirko knufft ihn in den Oberarm und grinst vielsagend. Dieter wird rot. Er ärgert sich, er wird immer rot, schon wenn er nur an Desi denkt. Und geht den außerdem gar nichts an, also ablenken:
„Habt ihr was zu mampfen?" Er blickt suchend über den vollgeräumten Tisch: Leere Konservendosen, Katzenfutterpackungen, zerbrochene und noch benutzbare Werkzeuge, drei volle Aschenbecher, einige Scheiben schmutziges Brot, eine halbleere Heringsdose und ein unförmiger Klumpen Fleisch in Aspik auf einem schmutzigen, abgeschlagenen Teller. „Was ist das?"

„Hat Rudi mitgebracht. Von seinem Hofmetzger, den er uns nie verrät. Ist so ne Art Sülze. Willst nen Stück? Habs auch schon probiert."


„Klar, „Dieter nickt. „Warum nicht „ er wirft einen fragenden Blick auf Renfeld, aber der sitzt nur sonderbar absent und brütend auf dem Sofa und starrt ins Nichts. Irgendwas stimmt nicht mit ihm. Irgendwas stimmt immer nicht mit ihm er das ist jetzt noch sonderbarer, als sonst. Er sieht Mirko an, deutet mit dem Kinn auf Renfeld und zieht fragend die Brauen hoch.

Mikro schneidet ihm eine Scheibe der Sülze ab, fingert umständlich eine Scheibe Brot aus einer Tüte, legt die Scheibe darauf und reicht sie ihm mit einem Schulterzucken. Soll heißen, „Weiß auch nicht."


Schweigend beisst Dieter herzhaft in das Brot. Er kaut, schluckt, kaut, schluckt und hält inne „Schmeckt irgendwie komisch. Issn das?" Murmelt er mit halbvollem Mund.

„Keine Ahnung," Mirko lacht laut auf. „Also, ich habe meine Scheibe den Katzen gegeben, die fanden es super."
Dieter springt auf und läuft zur Tür, wirft das angebissene Brot hinaus und spuckt den Inhalt seines Mundes daneben.

Mirko will sich ausschütten vor Lachen.

„Ha, Ha, sehr witzig, „ Dieter wischt sich mit der Handfläche über den Mund und verzieht angewidert das Gesicht. „Was zum Kuckuck ist das für ein Fleisch?"

„Keine Ahnung," Mirko schüttelt sich noch immer vor Lachen, „sagt der nicht. Da hilft nur eins, willste nen Bier!?"


„Ne," Dieter steht auf und schüttelt energisch den Kopf, „Nicht vorm Dunkelwerden. Dann machen meine Frauen da auch nicht mehr mit, wenn ich mit ner Fahne zwischen den Kindern rumturne. Bäh, das ist ja ecklig! He,Rudi, was ist das? Und von welchem Metzger ist das, den Mann sollte man verklagen!"


Endlich reagiert Renfeld. „Keine Ahnung." Er zuckt die Schultern und seine Stimme ist seltsam tonlos. "Zick nicht ein! Stells einfach in den Kühlschrank: Ich hebe es für den Grafen auf, der isst das!"

„Ja, das will ich glauben." Dieter zieht die Schultern zusammen und duckt sich, als er unter der niederen Tür durchgeht „Ich muss, Jungs, wir sehen uns. Immer schön die Füße still halten!" Er fängt an, eine kleine Melodie zu pfeifen und verlässt den Raum, macht die Tür von außen zu. Man hört die Melodie noch lange, während er am Haus entlang den Weg zum Stall läuft. Zwei Raben streiten lauthals in den Bäumen.

Renfeld ist alle Farbe aus dem Gesicht gewichen und ein feiner Schweißfilm überzieht seine Stirn.


Libertas Haus, das SchlossWo Geschichten leben. Entdecke jetzt