Ehrlichstett, Mai 2016

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Die Polizeibeamtin sollte recht behalten.

Corinnes Anzeige wegen Nötigung wird eingestellt. Man macht ihr klar, dass sie von Glück sagen kann, dass von Seiten des Grafen keine Gegenanzeige erfolgt sei. Die Polizistin legt ihr nahe, sie sei bereits revierbekannt und solle doch für die Zukunft auf das Erstellen von Anzeigen verzichten. Man wisse von der Dienstaufsichtsbeschwerde und ihre Glaubwürdigkeit sei ohnehin begrenzt.


Rabena von Hülstorff ist erleichtert.

Erleichtert, dass Hugo nichts geschieht. Dass er sicher ist. Dass er beschützt wird.

Aber sie ist auch durcheinander.


Wenn sie in Ehrlichstett ist, führt sie zwei Leben.


In München ist es einfacher. Da ist Hugo und seine Version. Seine Geschichte. Seine Ziele , seine Pläne. Sie sieht durch seine Augen.

Sie ist so erzogen. Ihre Loyalität ist grenzenlos. Die Grenze ist die Familie. Alles, was ihr Mann, was die Familie tut, ist gut und richtig. Und nichts aber auch gar nichts wird nach außen dringen.

Auch nicht ihre Angst. Ihre Angst um Hugo und ihre Angst vor Hugo. Die Angst, dass Hugo die Beherrschung verliert. Die Angst, dass Hugo die Realität verliert, die Blick auf die Realität verliert.

Die Angst, dass Hugo den Verstand verliert.

Ein Teil von ihr weiß, dass er in einer Fantasiewelt lebt. Einer hasserfüllten Fantasiewelt voller Feinde, die hinter seinem Rücken sich an seinem Eigentum vergreifen, seine Rechte streitig machen und ihm übelwollen.


Aber da ist auch Abel. Und seine Sicht auf die Welt. Auch ohne Worte spürt sie, dass seine Sicht auf die Welt eine Liebende ist, eine Weiche, Freudige, Liebende. Dass er diesem Verletzer auf den Spuren ist und dass er heilt. Dass er heilt und hilft. Denn er heilt auch sie.


Sie holt tief Luft und schlingt die Arme um ihre mageren Schultern.

Er heilt sie, wenn sie den Glauben verliert, an die Loyalität, an die Verpflichtung, die die Ehe ihr auferlegt, er heilt sie, wenn sie Angst hat, wenn sie sich fürchtet vor den Gedanken von Hugo und vor seinen Taten. Er heilt sie, wenn sie schmerzhafte Flecken hat auf den Armen, Quetschungen und Blutergüsse, die sie unter langen Ärmeln verbirgt und hinter einem tapferen Lächeln.

Abel ist Balsam. Der sich auf ihre Seele legt, ein Frieden, den sie genießt und in dem sie lebt und der ihr Ruhe schenkt.


Der sie aber auch in völlig absurde Situationen bringt.

So dass sie zuvor mit ihrem Mann und dem Bonsayh, der ihr nach, wie vor Schauder über den Rücken jagt, zusammensitzt und Handlungen plant, Strategien entwickelt und Stunden später, wenn die Welt ruht, wenn die Lautlosigkeit Herr ist über die Dunkelheit und die Nacht, Hand in Hand mit Abel eben diese Schäden wieder behebt und unsichtbar macht, die der Verletzer zuvor mit ihrem Mann ausgeheckt hat.


Sie denkt nicht.

Sie denkt nicht nach über ihre zwei Leben, denn wenn sie denken würde, dann müsste sie sich zur Pflicht mahnen, zur Raison rufen. Zur Loyalität.

Adel verpflichtet. Und Treue über den Tod hinaus.

Sie kann nicht. Nicht denken und nicht fort von ihm.

Er ist ihr Leben. Der Sanfte, der von Gott Geliebte, der Stille, der ohne Worte mit seinen Gesten sie umfängt. Der seine Umarmung wie einen Mantel um sie legt und sie umfängt, sie stillt und sie hält,sie bewahrt und sie beschützt. Der ihr Kraft gibt. Kraft und Stärke. Und Leben. Ein dunkles samtiges Leben, nachts, wenn die Welt schläft und keiner ihr Tun sieht. Keiner ihr Tun beurteilt, wenn selbst die Gedanken frei sind.



Libertas Haus, das SchlossWo Geschichten leben. Entdecke jetzt